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Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien

Vom 14. Bis zum 20. Februar 2021 findet in diesem Jahr wieder die bundesweite Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien statt. Auch das Lukas-Werk beteiligt sich regelmäßig an der Gemeinschaftsinitiative der Vereine  NACOA Deutschland und Such(t)- und Wendepunkt. Coronabedingt können wir die zusätzlichen offenen Beratungsangeboten, die wir in der Vergangenheit im Rahmen der Aktionswoche angeboten haben, derzeit leider nicht zur Verfügung stellen. Telefonisch und per E-Mail stehen wir in unseren Fachambulanzen aber natürlich auch jetzt für eine Erstberatung zur Verfügung. Wichtige Infos liefert auch das Interview , das wir mit Anna-Lena Maier-Niehoff,  Sozialarbeiterin M.A. aus unserer Fachambulanz in Goslar, zum Thema geführt haben.

Wie viele Kinder erleben eine Suchtproblematik im engsten Familienkreis?
In Deutschland leben rund 2,6 Millionen Kinder und Jugendliche, deren Eltern alkoholabhängig sind, etwa 40.000 bis 50.000 mit drogenabhängigen Eltern. Damit erlebt etwa jedes siebte Kind mindestens einen suchtkranken Elternteil. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass in jeder Schulklasse mindestens ein oder mehr Kinder aus einer suchtbelasteten Familie kommen.

Was macht die Sucht eines Elternteils mit Kindern und Jugendlichen?
Häufig erleben sie eine dauerhaft hohe Belastung. Die Sucht ist oft ein Familiengeheimnis, das gewahrt bleiben soll. In akuten Phasen der Sucht können die wichtigsten kindlichen Grundbedürfnisse nach Fürsorge, Vertrauen und Schutz nicht voll erfüllt werden.  Es gibt Streit und Konflikte, manchmal auch Gewalt. Insbesondere wenn jüngere Geschwister da sind, übernehmen Kinder Aufgaben und Verantwortung, denen sie eigentlich nicht gewachsen sind. Manchmal sind sie sogar Ersatzpartner für Elternteile. Für die eigene Entwicklung ist das natürlich ungesund. Bei etwa 30 Prozent der Kinder aus einem suchtbelasteten Elternhaus kann sich durch die psychosoziale Belastung eine eigene Suchterkrankung entwickeln. Ein weiteres Drittel entwickelt andere Belastungen, wie zum Beispiel psychische Erkrankungen in Form von Depressionen. Nur ein Drittel der betroffenen Kinder und Jugendlichen erlebt eine gesunde Entwicklung.

Wie können die betroffenen Familien unterstützt werden?
Wegsehen ist die schlechteste Hilfestellung, die es gibt. Als Erzieher:in im Kindergarten, Lehrer:in, als Freund:in der Familie müssen wir offen ansprechen, was uns auffällt. 

Denn auch suchtkranke Eltern wollen gute Eltern sein. Werden sie darauf angesprochen, dass es dem Kind schlecht geht, ist das häufig die größte Motivation etwas zu ändern.

Im besten Fall führt diese Motivation in eine professionelle Beratungsstelle. Im Lukas-Werk nutzen wir viele verschiedene Therapieformen, die individuell auf die Bedürfnisse von Kinderbetreuung bis Arbeitszeiten angepasst werden können. Neben den direkt von einer Sucht betroffenen Menschen, halten wir auch Angebote speziell für die Angehörige bereit. Mein Aufruf lautet daher: Wagen Sie den Weg in eine Beratungsstelle.

Was muss sich verändern damit die Situation für betroffene Familien besser wird?
Sucht muss anders betrachtet werden. Das ist keine Charakterschwäche, sondern eine Krankheit die Behandlungs- und Betreuungsbedarf benötigt – ähnlich, wie eine Krebs- oder Diabeteserkrankung. Gespräche müssen viel früher stattfinden, und vor allem sollte allen Beteiligten dann die Richtung klar sein. Es muss sehr deutlich werden, dass es immer um eine Unterstützungshilfe zum Wohle des Kindes geht, nicht um Bestrafung, weil jemand etwas falsch gemacht hat. Kinder müssen in diesen Prozess einbezogen werden, damit sie verstehen, warum bestimmte Entscheidungen getroffen werden. Das braucht natürlich ein engeres und intensiveres Unterstützungsnetz. Nur so kann die Familie, kind- und suchtgerecht unterstützt werden. Das ist ein hoher Aufwand. Doch jeder Anruf, jedes Gespräch, jeder Besuch zuhause lohnt sich, wenn dadurch die spätere eigene Suchterkrankung eines Kindes vermieden werden kann.

Anna-Lena Maier-Niehoff, Sozialarbeiterin M.A. Fachambulanz Goslar
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