Symbolbild bunte Punkte

Betroffene spüren die Auswirkungen ihr Leben lang

Heute ist Tag des alkoholgeschädigten Kindes. Diesen Tag möchte auch das Lukas-Werk nutzen, um darauf hinzuweisen, dass jeglicher Alkoholkonsum in der Schwangerschaft für das ungeborene Kind mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einhergehen kann. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung werden jedes Jahr in Deutschland rund 10.000 Kinder mit sogenannten Fetalen Alkoholspektrum-Störungen (FASD) geboren, etwa 3.000 dieser Kinder würden unter dem Fetalen Alkoholsyndrom (FAS) leiden. Im Interview gibt Lisa König, Sozialarbeiterin/ Sozialpädagogin B.A in der Lukas-Werk Fachambulanz in Northeim, Hintergrundinformationen dazu und erläutert an drei Beispielen, wie sich FASD auswirken kann.

Wie häufig kommt es vor, dass Frauen in der Schwangerschaft Alkohol trinken?
Leider viel zu häufig. Es besteht die weitverbreitete Annahme, geringe Mengen seien unbedenklich. Bisherige Forschungen bestätigen das aber keinesfalls. Nach Datenlage, trinken etwa 28 Prozent der Frauen in Deutschland Alkohol in der Schwangerschaft, rund 16 Prozent weisen sogar sogenanntes Rauschtrinken auf.

In der Folge kann eine Fetale Alkoholspektrums-Störung (FASD) beim Kind auftreten. Was bedeutet das genau?
Die Auswirkungen können sehr unterschiedlich sein. Dazu gehören mentale und physische Störungen, Entwicklungs- und Wachstumsstörung oder auch Verhaltensauffälligkeiten, die ein Leben lang bestehen. Häufig treten auch auditive und/ oder visuelle Gedächtnisstörungen auf. Dabei können Betroffene Alltagsabläufe oder Lerninhalte nicht kontinuierlich abrufen.

Lisa König, Sozialarbeiterin/ Sozialpädagogin B.A in der Lukas-Werk Fachambulanz in Northeim

Können Sie Beispiele aus dem Alltag von FASD-Betroffenen nennen?
Ich habe kürzlich von einem 16-jährigen Mädchen gelesen, die einen Job als Küchenhilfe begonnen hat. An einem Tag schält sie mit großem Elan den ganzen Tag Gurken mit einem Schälmesser. Als sie am nächsten Tag die restlichen 20 Gurken schälen soll, ist sie ahnungslos und verwirrt und weiß mit dem Messer nichts anzufangen. Mit Tränen in den Augen sagt das Mädchen, dass sie nicht weiß wie man Gurken schält. Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf den Schulkontext, wo ein Junge das Einmaleins der Dreier-Reihe gelernt hat und es sicher beherrscht. Am nächsten Schultag kann er keine einzige Aufgabe lösen. Lehrer und Eltern können das kaum glauben und unterstellen ihm Faulheit oder Aufsässigkeit. Diese Beispiele machen deutlich:

Menschen mit FASD können nicht immer auf ihr vorhandenes Wissen zurückgreifen. Gespeicherte Informationen stehen an einem Tag zur Verfügung, an einem anderen aber nicht.

Ein weiteres Beispiel aus einem Flyer des fasd Deutschland e.V. zeigt, dass die Fähigkeit, in der sozialen Interaktion zu differenzieren, Betroffenen häufig schwerfällt: Ein 15-Jähriger mit FASD begrüßt seine Mitschüler mit einem üblichen Begrüßungsritual, bei dem Hände aneinander geklatscht werden und „Jo, check die Kralle!“ gerufen wird. Der Klassenlehrer erscheint und wird freudig auf die gleiche Weise von dem Jungen begrüßt. Der Lehrer fühlt sich respektlos behandelt. Das sind drei kleine Einblicke und Beispiele. Die Ausprägungen sind aber vielfältig.

Was wünschen Sie sich im Umgang mit FASD-Betroffenen?
Es ist vor allem wichtig, dass über die jeweiligen Ausprägungen informiert wird. Nur dann kann das Umfeld von Betroffenen, wie im Beispiel oben ein Lehrer, Eltern oder ein Küchenanleiter, mit viel Verständnis agieren und so dazu beitragen, dass Ausgrenzungen und Unverständnis vermieden werden.

Weiterführende Links
Das Leben mit FASD: Homepage fasd Deutschland e.V.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema alkoholfreie Schwangerschaft: Angebote und kostenlose Informationsbroschüren

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