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Fast fertig und noch viel zu tun

Das Marienstift Braunschweig gibt mit einem Fast Fertig Fest den Startschuss für die letzten Arbeiten am Neubau des Krankenhauses – Ende des Jahres sollen unter anderem die Zentrale Notaufnahme, die Information und die OP-Säle hierhin umziehen. Mitarbeitende und Gäste feiern bei strahlendem Sonnenschein, mit Musik und gutem Essen das bisher Geleistete und freuen sich auf den Endspurt. 
Text: Meike Buck / Allianz für die Region; Fotos: Bernhard Janitschke / esn

Ein Krankenhaus mit Tradition

Nachdenkliche Worte findet Elke Rathert, Pfarrerin in der Krankenhausseelsorge der Landeskirche, die das Fest mit einem Gottesdienst eröffnet. „Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde“, zitiert sie den 23. Psalm, einen der Hauspsalme des Marienstifts. Die Feinde der Pflegenden im beruflichen Alltag seien oft fehlende Zeit und hohe Ansprüche an sich selbst. Der symbolische Tisch könne da das Gespräch mit anderen sein, der Austausch von besonderen Erlebnissen mit Kranken, die Kraft geben, und das Vertrauen auf Gottes Gegenwart.

In dieser Zuversicht gründete der „Vaterländische Frauenverein“ und deren Vorsitzende Auguste von Campe, die Frau des Staatsministers, vor mehr als 150 Jahren am 8. Mai 1870 das Haus Siloah an der Wolfenbütteler Straße als Diakonissenhaus. Elise Averdieck, eine begnadete Pädagogin, Schriftstellerin und Krankenpflegerin, schickte die ersten zwei Diakonissen aus Hamburg nach Braunschweig – auch damals herrschte Pflegenotstand. 1881 erhielt das Haus den Namen Marienstift, Namensgeberin war Marie von Baden, die Mutter des Herzogs Wilhelm, zwei Jahre später zog es an die Helmstedter Straße um.

Jetzt steht das nächste Kapitel in der Geschichte an. „Fast wäre es ein Fertig Fest geworden, wir feiern trotzdem“, ist Tobias Henkel, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Stiftung Neuerkerode, zu der das Marienstift gehört, zuversichtlich. Doch auch nach der Einweihung des 5.700 m2 großen Neubaus sind die Arbeiten nicht abgeschlossen – dann stehen Sanierungen und Modernisierungen der Abteilungen im Altbau an. 


Kurze Wege für alle

Projektleiter Jörg Kittner führt Interessierte durch den Neubau. Wie ein Riegel liegt er vor dem Altbau und schirmt diesen zur Helmstedter Straße hin ab. Am 1. April 2019 erfolgte der erste Spatenstich, mehr als drei Jahre später sind die Ideen dahinter deutlich zu erkennen: kurze Wege und somit eine Erleichterung für Mitarbeitende und Patienten. „Hier sind viele Ideen aus dem Alltag eingeflossen“, freut sich Tobias Henkel. Im Erdgeschoss melden sich dann Patienten und Gäste an, der Tresen aus hellem Holz steht bereits. Hier erfolgt auch die administrative Aufnahme. Vorrübergehend wird zudem die Endoskopie hier untergebracht werden, bis die jetzigen Räume saniert sind. Dann entsteht hier die neue Notaufnahme. Im ersten Stock liegt u.a. die Wöchnerinnenstation mit elf Doppel- und zwei Einzelzimmern, auf den Balkon ist Jörg Kittner besonders stolz: „Den hat sonst kein anderes Krankenhaus.“ Heute schaut man von dort auf die Bratwurststände und das sich drehende Karussell, fröhliche Musik und buntes Stimmengewirr schallen nach oben.


Viel Interesse an Detaillösungen

Im zweiten Stock zeugen viele lose Kabelenden und Rohre an der Decke von viel Technik – vier moderne OPs werden hier einmal eine optimale Versorgung der Patienten bieten. Immer wieder werden in der Führung Fachfragen gestellt, z.B. nach der Benutzung der Aufzüge zu den OPs. Es wird eine digitale Schaltung eingebaut, mit der Operierenden und Patienten Vorrang gegeben werden kann, beruhigt Jörg Kittner den Fragenden, der sich als Rettungssanitäter zu erkennen gibt und auf eine Verbesserung der jetzigen Situation hofft. Moderne Geräte, digitale Technik, medizinische Apparate – das hat seinen Preis: 40 Millionen Euro wird der Neubau voraussichtlich kosten, überwiegend finanziert vom Land Niedersachsen. Ruhig und gelassen erzählt Jörg Kittner von den Herausforderungen, einen Neubau mit Corona, weltweiten Lieferschwierigkeiten und -engpässen zu betreuen – aus seinem Mund klingt es ganz einfach. Nur aus den Nebensätzen erahnt man die enorme Leistung, wenn er versucht, noch einen dritten Aufzug zu realisieren oder die Wünsche der Operierenden nach einem vollständig zu verdunkelndem OP berücksichtigt.

 

Die Würde im Zentrum

Doch der Neubau ist nicht die einzige Baustelle auf dem Gelände an der Helmstedter Straße, in der Friedenskapelle entsteht das Zentrum Würde. Der denkmalgeschützte Raum wird in einen Ort der Begegnung umgestaltet, in der Menschen Freude, Glück und Zuversicht, aber auch Verzweiflung und Trauer miteinander teilen können. „Von der Geburt bis zum letzten Atemzug eines Menschen – hier soll ein Raum entstehen, in dem sich Menschen in den unterschiedlichsten Lebenslagen begegnen und gelebte Nächstenliebe erfahren können“, erklärt Heike Heckmann, Seelsorgerin und Leiterin der Diakonischen Gemeinschaft. Die Pläne sind an einer Wand aufgehängt, ein großer Tisch wird das Herzstück des Zentrums bilden, eine Tafel für Gespräche verschiedener Kulturen.

Schon jetzt finden im Altbau des Marienstifts Kurse zur Trauerbegleitung oder Letzte-Hilfe-Kurse für alle, die sich mit den Themen Begleiten und Umsorgen am Lebensende, Tod und Sterben auseinandersetzen wollen, statt. Das Angebot möchte Heike Heckmann ausbauen. Heute lädt sie die Besucherinnen und Besucher ein, ihre Bitten oder auch ihren Dank auf Zettel zu schreiben und in die „Würdemauer“ zu stecken, „alle Sorgen loswerden“, nennt sie es – was für ein schöner Gedanke, davon zeugen auch die zahlreichen bunten Zettel, die bereits in der Wand stecken.

 

Wichtiger Teil der Gesundheitsvorsorge

„Wir feiern die Zuversicht“, sagt Tobias Henkel bei der offiziellen Begrüßung. Die Zuversicht, Ende des Jahres den Neubau offiziell einweihen zu können und damit dem medizinischen, technischen, pflegerischen Personal und den Verwaltungsmitarbeitenden den beruflichen Alltag zu erleichtern. „Ein Teil von uns“, das Claim der esn passe sehr gut auf das Marienstift, denn es sei nicht nur Teil der Evangelischen Stiftung Neuerkerode, sondern auch der Stadt und damit von unzähligen Familienbiografien.

Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum dankt dem Personal des Marienstifts, das in der Corona-Zeit Unglaubliches geleistet habe und noch immer leistet. Das Krankenhaus sei ein wichtiger Teil der Gesundheitsvorsorge der Region und die gute Zusammenarbeit mit dem Städtischen Klinikum und dem Herzogin Elisabeth Hospital ein Grund, weshalb Braunschweig besser als andere Regionen durch die Krise gekommen sei. „Deshalb ist es unsere Pflicht, uns für bessere Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden einzusetzen, denn die Pflege lebt von den Menschen“, verspricht er. Und als Stadtoberhaupt freue er sich besonders über die neue Geburtsstation. „Es ist ein gutes Zeichen, dass nach Jahren des Geburtenrückgangs nun wieder mehr Kinder zur Welt kommen. Das ist wichtig für unsere lebendige und bunte Stadtgesellschaft.“

 

Segen und eine Überraschung

Dr. Jan Wolff, Geschäftsführer des Marienstifts, fiebert der Fertigstellung der neuen Räume entgegen. „Wir stoßen fast täglich an unsere Versorgungskapazitäten, der Neubau wird hier eine große Entlastung sein.“ Und auch bei Oberlandeskirchenrat Thomas Hofer ist die Freude groß – obwohl es für ein Fast fertig Fest keine Agende der Kirche gibt, wie er bedauert. Schließlich gäbe es für Krankenhauseinweihungen genug und so spendet er gern den Segen für die noch ausstehenden Bauarbeiten.

Den ganzen Tag saßen sie eingehüllt in ein großes, weißes Tuch und wenig beachtet auf einer Bank, nun werden die Schnüre feierlich durchtrennt: Zwei Diakonissen-Figuren der Künstlerinnen Christel und Laura Lechner begrüßen zukünftig Mitarbeitende, Patientinnen und Patienten und Gäste mit einem Lächeln vor dem Eingang des Neubaus. Schwester Christa und Schwester Dorothea, die beiden letzten Diakonissen, nehmen neben ihnen auf der Bank Platz. Wie sie sie denn finden, ihre beiden neuen Mitschwestern, werden sie gefragt. „Ein wenig groß vielleicht“, antworten sie lachend.

 

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