Fachkräftemangel, politische Entscheidungsprozesse oder wirtschaftliche Entwicklungen – aktuell herrscht viel Bewegung auf dem Arbeitsmarkt. Das spürt auch Marcus Eckhoff, seit Januar dieses Jahres Geschäftsführer der Mehrwerk gGmbH. Mit dem Bildungs- und Qualifizierungsbetrieb für Menschen mit Handicaps sieht er – allen Herausforderungen zum Trotz – viele Chancen, sie im ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Im Interview spricht er darüber, wie er und sein Team in der Mehrwerk das Thema Arbeit und Beschäftigung neu denken, wie sie die Gesellschaft auf die veränderten Gegebenheiten einstellen wollen und welche Potenziale noch in der Region schlummern.
Gespräch mit dem neuen Geschäftsführer Marcus Eckhoff zur Neuausrichtung der Mehrwerk.
> Herr Eckhoff, seit Mitte Januar sind Sie als Geschäftsführer der Mehrwerk nach vier Jahren wieder zurück an alter Wirkungsstätte: Wie fühlt sich das Zurückkommen an? Wie sind Sie gestartet?
Es fühlt sich sehr gut an! Ich habe mich sehr gefreut, wieder in der Geschäftsführung der Mehrwerk mitwirken zu dürfen. Ein hochmotiviertes Team in der Geschäftsstelle hat es mir leicht gemacht, gleich wieder Fuß zu fassen. Die Mehrwerk hat sich in den letzten Jahren sehr gut weiterentwickelt und meine ersten Wochen waren davon geprägt, mir erst mal einen Überblick zu verschaffen.
> Als Geschäftsführer der Wohnen und Betreuen und der Mehrwerk, zu der unter anderem die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) gehören, verantworten Sie nun zwei wesentliche Bereiche der Eingliederungshilfe: Welche Chancen ergeben sich dadurch für die Eingliederungshilfe in Neuerkerode und der Region?
Beide Gesellschaften haben schon immer eng zusammengearbeitet und werden dies in Zukunft noch intensiver tun. Das wird mehr Durchlässigkeit zwischen den Gesellschaften schaffen und wir können gegenseitig die Angebote bei Klientinnen und Klienten bekannter machen. Quasi Eingliederungshilfe aus einer Hand.
> Die Mehrwerk ist als Bildungs- und Qualifizierungsunternehmen für Menschen mit unterschiedlichen Handicaps ein wichtiger lokaler Player auf dem Arbeitsmarkt – welche Herausforderungen stellen sich in den kommenden Jahren? In welchen Bereichen kann und soll die Mehrwerk erfolgreich sein?
Der Arbeitsmarkt ist derzeit geprägt von einem spürbaren Mangel an Arbeitskräften. Als Arbeitgeber stellt dies für uns eine Herausforderung dar, als Dienstleister natürlich auch eine Chance. Für die Werkstätten sehe ich ganz klar die Perspektive auf interessante Aufträge aus der regionalen Wirtschaft und ich erhoffe mir auch einen Effekt bei der Vermittlung von Menschen mit Handicap auf den ersten Arbeitsmarkt. Dies kann aber nur gelingen, wenn der Übergang durch individuelles Job Coaching gut begleitet wird.
Ein weiterer Schwerpunkt der Mehrwerk liegt im gastronomischen Bereich. Wir sind erfolgreich mit unseren inklusiven Teams in der Schulverpflegung. Auch wenn dieser Markt sehr preissensibel ist, gehe ich davon aus, dass wir mit unserer Qualität und den inklusiven Teams ein wertvolles Alleinstellungsmerkmal haben.
> Die Einführung des Bundesteilhabegesetzes 2016 führte zu einem Wandel in der Arbeit der Eingliederungshilfe/ Wohnen und Betreuen. Vor welchem Wandel stehen die Werkstätten, wie sehen Sie die weitere Entwicklung und wie gut bereiten Sie sich in der Mehrwerk darauf vor?
Die Zukunft der Werkstätten ist in der Tat eine sehr große Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Werkstätten für Menschen mit Behinderung brauchen Beschäftigte mit höherer Produktivität, müssen aber auch Beschäftigten, die weniger leistungsfähig sind, Angebote machen. Wird dieses Prinzip aufgebrochen, entwickeln sich Werkstätten zu reinen Rehabilitationseinrichtungen und verlieren ihre Arbeitsmarktnähe. Selbstverständlich dürfen dadurch nicht Übergänge auf den ersten Arbeitsmarkt verhindert werden. Die Praxis zeigt aber, dass sich Unternehmen weiterhin sehr schwertun, Menschen mit Behinderung einzustellen, sodass nur sehr wenige Übergänge gelingen. Ich bin davon überzeugt, dass sich dies in den nächsten Jahren ändern wird. Unsere Konzepte richten wir darauf aus, Übergänge vorzubereiten und zu begleiten. Beispielsweise durch Praktika in Unternehmen.
Schwierig für Werkstätten finde ich den Vorschlag, dass der Berufsbildungsbereich (BBB) aus der Werkstatt herausgelöst werden soll und ein eigenes Angebot unabhängig von Werkstätten wird. Ein solches Konzept muss eng mit den Verbänden der Werkstattträger abgestimmt werden.
> Sie sind bekennender Fußball- und Schalke-04-Fan. Wenn Sie Ihre Arbeit in der Mehrwerk mit einem Schalker Fußballer/einer Spielposition beschreiben müssten, welcher Spieler/welche Position wäre das und wieso?
Eine gute Frage! Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass Schalke in der nächsten Saison wieder in der 1. Bundesliga spielt. Jetzt bin ich froh, wenn wir so wenig wie möglich mit dem Abstieg zu tun haben.
In der Mannschaft wäre ich am liebsten der Torwart. Gegentore verhindern, aber gerne auch beim Elfmeterschießen mitmachen. Das trifft es, glaube ich, ganz gut. Wichtig ist, dass alle Positionen gut besetzt sind und die Mannschaft funktioniert. Das ist beim Fußball nicht anders als in meinem Job. Und da spielen wir sicherlich nicht um den Abstieg!
Marcus Eckhoff (58) ist seit zehn Jahren im esn Unternehmensverbund tätig. Am 15. Januar 2024 ist er zum Geschäftsführer der Mehrwerk gGmbH ernannt worden, deren Führung er bereits in den Jahren 2015 bis 2020 zusammen mit Hans Henning Müller verantwortete. Er ist zudem seit 2014 Geschäftsführer der Neuerkeröder Wohnen und Betreuen GmbH und leitete die Neuerkeröder Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM). Er ist – auch durch seine Arbeit als Vorsitzender des Diakonie-Fachverbandes der Behindertenhilfe in Niedersachsen – ein fachkundiger und gut vernetzter Experte im Bereich berufliche Qualifizierung und Teilhabe sowie Eingliederungshilfe.
„Der Arbeitsmarkt ist derzeit geprägt von einem spürbaren Mangel an Arbeitskräften. Als Arbeitgeber stellt dies für uns eine Herausforderung dar, als Dienstleister natürlich auch eine Chance.“
Carmen Eggeling (47 Jahre alt) wird als Prokuristin die Mehrwerk gGmbH im Bereich der Organisation und strategischen Ausrichtung unterstützen. Zusätzlich wird sie die Durchführung der bestehenden Maßnahmenlandschaft am Standort Kuba Bildungscampus sowie die Weiterentwicklung der Abteilung Arbeitsmarktdienstleistungen mit verantworten. Sie ist seit 2016 Mitglied der Mehrwerk gGmbH und kümmert sich unter anderem um die Optimierung von organisatorischen Prozessen im Hinblick auf die Umsetzung der Gesellschaftsausrichtung, wirkt bei der Lösungsfindung in strategischen und operativen Fragestellungen mit und fungiert als Schnittstelle zwischen den verschiedenen (internen) Stakeholdern.
„Ich wünsche mir für die Entwicklung der Mehrwerk, dass wir es schaffen, für jeden das passende Angebot zu kreieren.“
Daniel Schwerdtfeger (40 Jahre alt), der bereits seit der Mehrwerk-Gründung (2016) die gastronomischen Bereiche verantwortet, leitet die neu formierten Abteilungen „Gemeinschaftsverpflegung & Catering“ sowie „inklusive Schul- und Kitaverpflegung“. Insgesamt werden täglich bis zu 3.500 Mittagessen für Schulen und Kindergärten zubereitet und knapp über 1.000 stationär lebende Menschen versorgt. In den inklusiven Teams sind bis zu 40 Prozent der Beschäftigten Menschen mit Behinderung, denen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sowie eine arbeitsbegleitende Betreuung im Wettbewerb des ersten Arbeitsmarktes geboten wird.
„Die Arbeit in den Abteilungen der Mehrwerk ist wichtig weil sie ein vielfältiges Arbeitsumfeld bietet und damit eine gute Grundlage schafft, inklusive Arbeitsplätze zu gestalten. Jeder kann wertvolle Beiträge leisten und seine individuellen Fähigkeiten und Talente einbringen.“
Claudia Deichmann hat zum 22. Januar 2024 die Gesamtleitung Arbeit und Beschäftigung in der Mehrwerk gGmbH übernommen. Die 43-Jährige, die bereits seit 2017 gesamtverantwortlich die Tagesförderstätten in der esn-Tochter Wohnen und Betreuen GmbH (WuB) leitet, ist mit der Umsetzung und Weiterentwicklung der Leistungen im Bereich Arbeit und Beschäftigung betraut. In ihrer Doppelfunktion wird sie die Leistungen der Eingliederungshilfe innerhalb der esn enger zusammenzuführen.
„Meine Ziele sind, die Weiterentwicklung von attraktiven Arbeits- und Beschäftigungsangeboten für Jugendliche nach der Schule genauso wie für Personen, die sich auf ihren Ruhestand vorbereiten. Ich setze auf ein engagiertes Team mit guten Ideen und den Blick für die Bedarfe aller uns anfragenden Menschen.“
"Wichtig ist, dass alle Positionen gut besetzt sind und die Mannschaft funktioniert."
Arbeit ist ein wesentlicher Teil der sozialen Existenz. Es ist uns eine Herzensangelegenheit, Menschen mit unterschiedlichen Handicaps durch Qualifizierung und Beschäftigung in das Arbeitsleben zu integrieren. Dafür stellen wir unseren Teilnehmenden und Beschäftigten ein passgenaues und breit gefächertes Qualifizierungs- und Beschäftigungsangebot zur Verfügung.
Text: Thomas Pöllmann // Fotos: Bernhard Janitschke