Und eine Seele spannte weite ihre Flügel aus, flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus.

Würdevoll bis in den Tod

– Abschied –

Der Moment, in dem Menschen ihren letzten Atemzug tun, in dem ihr Herz zum letzten Mal schlägt, ist ein Moment, der etwas Heiliges in sich trägt. So beschreiben ihn zumindest Heike Heckmann, Manuela Malitzki und Alena Güthoff, die in den Braunschweiger Senioren- und Pflegezentren Bethanien und Haus St. Vinzenz tätig sind und schon viele Menschen auf ihrem Weg in den Tod begleitet haben.

Sie sorgen dafür, diese herausfordernde Situation so würdevoll wie möglich zu gestalten. Dabei können auch ungewöhnliche Dinge zum Einsatz kommen – beispielsweise ein ehemaliger Picknickkoffer oder Brausepulver.

Lange davor

Wie schwer vielen die Auseinandersetzung mit dem Tod fällt, erlebt Manuela Malitzki in ihrer täglichen Arbeit. Als GVP-Beraterin unterstützt sie bei der Planung der gesundheitlichen Versorgung zum Lebensende und ist unter anderem zuständig für Patientenverfügungen und Vollmachten. Hierzu führt sie Gespräche mit den Senioren und ihren Angehörigen – möglichst dann, wenn das Sterben noch in relativ weiter Ferne liegt. Denn sind Fragen wie die um eine mögliche Wiederbelebung vorab geklärt, müssen Angehörige im Notfall nicht kurzfristig im Alleingang entscheiden, sondern kennen den Willen des Betroffenen.

Gerade wenn der Tod noch nicht in unmittelbarer Nähe ist, sind es oft die ersten Gespräche der Senioren mit ihren Angehörigen über das Sterben – und somit immer wieder hochemotional. „Wenn ich die Situation als neutrale Person begleite, bekommt das Ganze eine Art Rahmen und es kann offener über das Thema gesprochen werden“, berichtet Malitzki. „Immer wieder wird dabei geweint – viele fühlen sich danach richtig befreit.“

Kurz davor

Auf die Gespräche, die erste Ängste nehmen können, folgen im besten Falle noch viele gesunde und glückliche Jahre. Doch irgendwann neigt sich das Leben dem Ende. „Die ersten, die das bemerken, sind meist die Pflegekräfte. Sie sind immer ganz nah dran an unseren Bewohnenden“, sagt Malitzki. Liegt jemand im Sterben, melden sich die Pflegekräfte bei Heike Heckmann, Seelsorgerin und Leitung des Diakonischen Dienstes. Sie können zusätzlich auf Hilfsmittel zurückgreifen, die den Prozess des Sterbens nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für Pflegekräfte und Angehörige angenehmer machen können.

Eines dieser unterstützenden Hilfsmittel ist der Seelsorgekoffer. Ein ehemaliger Picknickkoffer als Zeichen dafür, dass man sich Zeit füreinander nimmt. Befüllt wurde er von Heike Heckmann in Zusammenarbeit mit Alena Güthoff, Leitung des Begleitenden Dienstes im Haus St. Vinzenz. Der Inhalt basiert auf den Erfahrungen aus der Praxis. „Und er wird ständig weiter bestückt, wenn wir die Rückmeldung bekommen, dass etwas gefehlt hat“, erläutert Heckmann.

Ob Duftöle, Kerzen, Bilder, ein Gebetsbuch, ein Koran oder Handschmeichler – alles, was guttut, ist erlaubt. Außerdem gibt der Koffer auch den Pflegenden und Angehörigen Halt im Umgang mit dem Tod.

Nicht nur die äußeren Umstände sollen angenehm sein. Die Pflegenden bemühen sich nach Kräften, dass sich die Sterbenden so wohlfühlen, wie es eben geht. Die Körper werden sensibler, der Mund ist meist staubtrocken. Ein extrem unangenehmes Gefühl. Deshalb bietet Manuela Malitzki Mundpflegeschulungen an. Auch in ihrem Equipment finden sich zwischen Mullbinden und Tupfern Dinge, die man am Sterbebett zunächst nicht erwarten würde. Beispielsweise Brausepulver, um den Speichelfluss anzuregen, oder eine Sprühflasche für das Lieblingsgetränk. „Die kann man mit Tee oder Saft befüllen, um den Mundraum zu befeuchten“, sagt Malitzki. „Und wenn das Lieblingsgetränk Whiskey ist, ist das auch in Ordnung.“

Währenddessen

Das Sterben selbst beschreiben die Frauen als unfassbar intim. „Dieser Moment des Loslassens, diese Grenze, die am Lebensende überschritten wird, des Übergangs von dieser irdischen in eine andere Welt, hat etwas ganz Heiliges – unabhängig davon, ob oder an was man glaubt“, berichtet Heckmann.

Danach

Nach dem Tod eines Bewohnenden wird ein Banner an die Tür gehängt. So wissen die anderen: Hier ist jemand von uns gegangen. Sofern von den Verstorbenen gewünscht, nimmt Heike Heckmann eine Aussegnung vor. „Durch den Tod anderer wird auch die eigene Endlichkeit wieder bewusster. Damit geht jeder unterschiedlich um – was aber nichts mit dem Alter zu tun hat“, berichtet Malitzki. Der Begleitende und Soziale Dienst kommt mit Bewohnenden zusammen, um bei Kerzenlicht über den Verstorbenen zu sprechen. Was war toll an der Person und welche Erinnerungen hat man zu ihr. Manchmal werden Anekdoten erzählt, die zum Schmunzeln sind oder freudig berühren. Niemand wird vergessen. „Dieses gemeinsame Gedenken tut allen gut und macht das Abschiednehmen leichter“, erzählt Alena Güthoff.

Später werden die Namen auf Steine geschrieben, die im Gottesdienst auf dem Altar und sonst in der Gedenkstätte des jeweiligen Hauses ihren Platz finden. Dadurch sind sie präsent und können von den Bewohnenden jederzeit aufgesucht werden. So wird nicht nur das Sterben, sondern auch der Abschied in Würde begangen.

Der Seelsorgekoffer:

Kleine Hilfestellungen bei der Mundpflege:

Text & Video 2: Lukas Dörfler // Fotos: Bernhard Janitschke // Video 1: Petra Neu

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