Den Kreißsaal, in dem sie selbst auf die Welt kam, gibt es auch viele Zehntausende Geburten später trotz mancher Umbaumaßnahmen immer noch. Und auch das leicht vergilbte Polaroidbild ist noch vorhanden. Ein Bild, das nach ihrer Geburt gemacht wurde. Darauf zu sehen ist ein junges Paar. Die Frau lächelt erschöpft, aber glücklich in die Kamera. Er ist ganz nah bei ihr, sein Blick geht zu dem neugeborenen Baby in ihrem Arm.
„Die Polaroidaufnahme haben meine Eltern damals als Geschenk zu meiner Geburt bekommen“, sagt Dr. Dorothea Hausdörfer. Ein Geschenk vom Krankenhaus Marienstift, in dem Hausdörfer vor 39 Jahren in einer eiskalten Februarnacht nach vielen, vielen Stunden („Ich war das erste Kind, da dauert es ja oft etwas länger …“) geboren wurde – und wo sie heute als Oberärztin in der Gynäkologie und Geburtshilfe der Frauenklinik arbeitet.
In die Geburt geschmuggelt
Heute wird Dorothea Hausdörfer vor allem dann in den Kreißsaal gerufen, wenn es nicht mehr vorangeht, wenn es besonders lange dauert oder die kindlichen Herztöne nicht in Ordnung sind. „Aber manchmal – wenn meine Zeit es zulässt – schmuggle ich mich auch einfach so in eine ganz normale Geburt.“ Obwohl sie dann gar nicht gebraucht wird. „Dann kann ich einfach das Schöne zu Beginn eines neuen Lebens beobachten“, sagt die 39-Jährige – die Tränen kommen ihr („meistens“) heute nicht mehr in solchen Situationen.
„Als junge Assistenzärztin war das anders und meine ersten Geburten sehr besonders und faszinierend für mich. Da ist auf einmal ein Mensch, der vorher in einem Bauch umgeben von Wasser gewohnt hat. Und dann schafft dieser Mensch von einem auf den anderen Moment diese Umstellung, atmet und macht einfach alles gut und richtig.“
Ihr liebster Einsatzort
„Ich verbinde ganz viele Geburtsverläufe mit dem Kreißsaal, die Arbeit mit den Familien und ein Team aus ganz unterschiedlichen Professionen. Das ist herausfordernd und genau das, was ich mag.“ Auch wenn es mal anders läuft, als sich die Beteiligten das vielleicht ausgemalt haben. „Nicht alles ist schön und rosarot während einer Geburt. Aber ich möchte, dass sich alle gut betreut fühlen und den Weg, den wir gegangen sind, nachvollziehen können.“ Das gilt auch, wenn Hausdörfer nicht im Kreißsaal steht, sondern im gynäkologischen OP oder in der Sprechstunde im Einsatz ist. Dort behandelt sie Frauen mit Beckenbodenbeschwerden, Frauen, die nach der Menopause bluten, Frauen mit Endometriose, mit Eierstockzysten oder Myomen.
„Themen, die gerade mit Blick auf eine älter werdende Bevölkerung wichtig und von denen ganz viele Frauen betroffen sind.“ Hausdörfer entscheidet dann: Wie können wir am besten helfen? Welche Therapie scheint zielführend? Müssen wir operieren? Ein guter Dialog mit den Frauen ist ihr wichtig. „Man sollte auf jeden Fall Menschen mögen, wenn man sich für diesen Beruf entscheidet“, sagt sie. Sowohl für Patientinnen als auch für Angehörige ein offenes Ohr haben. „Außerdem braucht es Neugierde und die Bereitschaft, sich immer weiter fortbilden zu wollen. Wissen wandelt sich ja stetig.“ Und ihr Beruf sei auch ein Handwerk. „Da ist es sinnvoll, nicht zwei linke Hände zu haben“, sagt die Oberärztin und lacht freundlich. Außerdem müsse man manchmal mit wenig Schlaf auskommen.
Haltung zeigen
Dorothea Hausdörfer arbeitet auch trotz Fachkräftemangels („Das geht leider am auch Marienstift nicht vorbei.“), fehlender Gelder für die Geburtshilfe („Gerade dieser Bereich ist schlecht aufgestellt, das ist ein politisches Problem.“) und oft stressiger Dienste gern am Marienstift. Nach ihrer Ausbildungszeit in großen Häusern hat sie sich bewusst für die kleinere Frauenklinik mit einem christlichen Profil entschieden.
„Und dabei geht es mir nicht um die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, sondern um eine Haltung. Um Zugewandtheit, ein Miteinander und respektvollen Umgang. Das schätze ich an der Arbeit in unserem Team und im Umgang mit den Patientinnen.“
Eine Haltung, die damals, als Dorothea Hausdörfer vor fast vierzig Jahren am Marienstift auf die Welt kam, insbesondere durch die auf der Station arbeitenden Diakonissen verkörpert wurde. Diakonissen, die Polaroidbilder an die frisch gebackenen Eltern auf der Station verschenkten. Hausdörfer blickt auf die alte Aufnahme von sich und ihren Eltern. „Meine Mutter hat mir davon berichtet, dass die Atmosphäre hier damals wohl sehr schön gewesen sei“, sagt sie im Kreißsaal stehend. Viele Zehntausende Geburten nach ihrer eigenen hier am Marienstift, trägt sie dazu bei, dass das auch heute noch so ist.
Text: Petra Neu // Fotos: Bernhard Janitschke
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