Endlichs feiern Premiere ihres neuen Stücks "Würde Los!"

Es geht um die Würde. Um erlebte, erfahrene Würdelosigkeit. Es geht um den Anspruch und das Recht auf Würde.

 

Foto: Oliver Schirmer//Faktotum

Das Bühnenbild ist existentiell karg. Es atmet die Erfahrung von Verletzlichkeit. Mal reflektieren die langhängenden Folien das Scheinwerferlicht wie fröhlich glitzernde Sonnenstrahlen. Mal sind sie Anmutung düsterer unumstößlicher Säulen eines gesellschaftlichen Tempels von Vorurteilen, Diffamierung, Druck und Ausgrenzung. Das Verständnis von Würde und ihre Wahrnehmung spiegelt sich auch darin, wie sie reflektiert wird.

„Würde Los!“ Ausrufezeichen. So heißt das jüngste Stück des 'Theater Endlich' aus Neuerkerode. Aktuell wie nie. Unbegreifliches. Erschütterndes. Empörendes. Eine Geschichte. Viele Lebensgeschichten. Das Ensemble aus Neuerkerode macht das Publikum im Braunschweiger LOT-Theater - wenn schon nicht zu Mittätern - dann aber zu Mitverantwortlichen. Was manchmal wie ein parodistischer Streifzug durch das Erleben von Würdelosigkeit erscheint, wird immer wieder zum Fingerzeit in Richtung Publikum. Die Erfahrung von Würdelosigkeit haben nicht die Betroffen zu verantworten, sondern Andere...

Gerade Menschen mit einer Behinderung haben immer wieder erfahren, dass ihre Würde antastbar gewesen ist, dass sie mit Füssen getreten wurde, dass sie verletzt wurde. Und das sie noch immer angetastet wird. Da stecken brodelnde Kräfte, da steht lebensbejahende Stärke hinter manchmal scheinbarer Beschwingtheit und Sorglosigkeit auf der Bühne.  Aufregend und prägnant zeigt das Ensemble des Theater Endlich in einer durch Choreografie bestimmten Dramatik in freier Adaption Szenen von Andersens Märchen des Hässlichen Entlein. Es erzählt von Abgrenzung und Ausgrenzung.Und es stellt die Frage nach Gerechtigkeit

Die Erzählstimme kommt aus dem Off. Die Schauspieler selbst reden wenig. Aber wenn, dann geht es unter die Haut. Es bleibt bei den 'Endlichs' nicht bei Suche nach Selbstakzeptanz. Was aus ihnen herausbricht sind Einsprüche. Das ist keine Mahnung, das sind Forderungen, manchmal in Fragestellungen gekleidet. Das ist ein bis hier hin und nicht weiter. Jedenfalls, der stolze Schwan ist es nicht, der das Stück beendet. Ein wunderbar skurriler Einschub, die Modenschau der Individualisten.

Die Fragen, die das jüngste Stück der „Endlichs“ aufwirft, sind auch immer Fragen an jeden Einzelnen, an seine Identität. Da heißt es nicht nur wahrnehmen und lernen, sondern Verhalten ändern, Beziehungen aufbauen. Wo bleibt die Würde, wenn man - freundlich begleitet - auf der Strecke bleibt, professionell assistiert? Wo bleibt die Würde, wenn Beziehungslosigkeit dominiert? Was ist mit der Gerechtigkeit? Ist das gerecht, wie man Prometheus bestrafte, oder Sisyhos? Was würde aus einem Prozess gegen Rumpelstilzchen?

Achtung oder Verachtung der Würde von Menschen, erfährt oder missbraucht sich in ihrem Alltag. Damit konfrontiert die Inszenierung in der Regie von Martin von Hoyningen  Huene und Silke Stephan das Publikum. Es finden sich schöne Anklänge an das Absurde Theater und dann wieder Archaische an den Antiken Chor. Das Theater Endlich hat – wie immer – sein Stück selbst recherchiert. Daraus und aus einem Fundus von Selbsterfahrung wurden Texte erarbeitet und die Choreografie - so arbeiten sie beim Theater Endlich. Es ist eine Mischung aus Dokumentation und biografischem Theater. Improvisation ist ständige Dramaturgin. „Würde Los !“ ist ein fragendes Stück. Es fragt nach dem was war. Es fragt nach dem was ist. Und es ist ein Stück mit Ausrufezeichen.

 

Weitere Spieltermine: 23. und 24. Oktober jeweils um 20.00 Uhr. Am Oktober um 17.00 Uhr; am 4. November um 10.00 Uhr und am 5., 6., und  7. November jeweils um 20.00 Uhr. Eintritt 18.00 Euro / erm. 6,- Euro.