Bereit, eine neue Welt zu entdecken?

VirtuaLounge und TU Braunschweig forschen dazu, ob VR-Brillen Senioren mehr Lebensqualität bescheren könnten.

Virtual Reality ist eigentlich etwas, das man wohl eher mit „Digital Natives“, also jungen Menschen, die mit digitalen Technologien aufgewachsen sind, in Verbindung bringen würde. Dass es auch anders geht, konnte man in den vergangenen Monaten in Senioreneinrichtungen, unter anderem dem St. Vinzenz und Bethanien in Braunschweig, beobachten. Hier waren einige Seniorinnen und Senioren zu finden, die mithilfe der  sogenannten VR-Brillen in digitale Welten eintauchten. Das taten sie nicht nur aus Spaß, sondern zu Forschungszwecken.

Denn der Einsatz von VR-Brillen könnte positive Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bewohnenden von Pflegeheimen haben und ihre kognitiven und physischen Fähigkeiten aktivieren. Inwiefern das wirklich funktioniert, versucht derzeit eine Gruppe der TU Braunschweig in dem Projekt „VRalive“ herauszufinden. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, ein seniorengerechtes VR-System zu entwickeln, das sowohl die passive als auch die aktive Nutzung von VR-Erlebnissen in der Gruppe ermöglicht.

Aktivität fördern
Vermehrte Unternehmungen können zu weniger Einsamkeit und somit zu mehr Wohlbefinden bei den Seniorinnen und Senioren führen. Doch nicht alle sind körperlich dazu in der Lage, beispielsweise an Ausflügen  teilzunehmen. Mithilfe von VR-Brillen könnten sie trotzdem aktiv sein, ohne die jeweilige Einrichtung verlassen zu müssen. Nur eben in der digitalen statt in der realen Welt.

„Das ist ja toll, ist das  Amerika?“
Die Projektleiterinnen dieses Forschungsprojektes sind die TU-Professorin Dr. Beate Muschalla vom Institut für Psychologie und Irina Shiyanov, Mitgründerin der VirtuaLounge. Im St. Vinzenz ist an diesem Morgen die Projektdurchführende Yijun Li mit einem dreiköpfigen Team und mehreren VR-Brillen vor Ort, um die Heimbewohnerinnen und -bewohner anzuleiten und die Ergebnisse zu protokollieren. Vier Teilnehmende sitzen  erwartungsvoll bereit, während David Konschin von der VirtuaLounge die Technik erklärt. Er fragt: „Sind Sie bereit, eine neue Welt zu entdecken?“

Die Seniorinnen und Senioren bekommen die Brillen aufgesetzt. In jeder Hand halten sie einen Controller, mit dem sie ihre virtuellen Hände steuern und sogar mit ihnen greifen können. „Das ist ja toll, ist das  Amerika?“, fragt ein Teilnehmer, nachdem er in die simulierte Welt eingetaucht ist. In dieser Welt finden sich die Teilnehmenden vor einem Ferienhaus am Strand wieder, im Hintergrund sind Berge und eine Mühle zu sehen.

Roboter-Hilfe
Doch sie sind nicht alleine: Ein freundlicher Roboter erklärt ihnen, wie alles funktioniert. Von außen sieht man die Teilnehmenden, wie sie den Kopf wenden, sich umschauen, die Hände mit den Controllern von  einer Seite zur anderen bewegen. Auf einem Tablet kann man sehen, was die Heimbewohnenden gerade wirklich wahrnehmen: Sie bauen aus verschiedenen Klötzen einen Turm, danach eine Bank für den Garten des Ferienhauses. Auch Blumen werden gegossen, die gleich darauf beginnen zu wachsen.

Manche sind schneller fertig, andere brauchen einen Moment länger. „Das ist kein Wettkampf. Lassen Sie sich Zeit“, sagt Yijun Li. Ein Senior lässt die Brille noch auf, nachdem er die Aufgaben erledigt hat. „Ich  schaue mich noch ein wenig um, bis alle so weit sind“, sagt er. Die Reaktionen werden von den Mitarbeitenden der TU Braunschweig genau beobachtet. Nachdem die Brillen abgenommen wurden, erkennt man die strahlenden Gesichter der Pflegeheimbewohnenden. „Das hat richtig Spaß gemacht“, berichtet eine Seniorin.

„Wie toll wäre das, wenn Blumen wirklich so schnell sprießen würden!“

Dann werden die Teilnehmenden befragt: Nach ihren Gefühlen während der Intervention, über mögliche Schwindelgefühle, aber auch über ihren Alltag. „Heute hat das alles besonders gut geklappt. Jeder der  Teilnehmenden hat sich direkt auf diese neue Welt eingelassen“, sagt Yijun Li. In den kommenden Wochen werden die Bewohnenden des Pflegeheims immer wieder „ihr“ Ferienhaus besuchen, hier beispielsweise  kochen oder ihren Garten weiterpflegen. Doch auch an diesem Tag steht noch eine letzte Aktion auf dem Programm, bei dem die Seniorinnen und Senioren sich einfach zurücklehnen und genießen können: eine virtuelle Reise. „Juhu, es geht in den Urlaub!“, freuen sich die Teilnehmenden. Ohne die Brille hätten sie nicht die Möglichkeit, solch eine weite Reise auf sich zu nehmen.

Text: Lukas Dörfler // Fotos: Bernhard Janitschke

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