Digital gegen die Angst

– Heilsame Illusion –

Im Lukas-Werk wird Virtual Reality zum therapeutischen Werkzeug.

Ein belebter Platz mitten in einer Großstadt. Menschen strömen vorbei, Blicke kreuzen sich, eine Gruppe tuschelt – über wen? In der U-Bahn. Rasend schnell ziehen Lichter an den Fenstern vorbei. Dann plötzlich Stillstand: Dunkelheit, Enge, Ungewissheit. Für Menschen mit Angststörungen oder Sozialphobien sind solche Szenen Extremsituationen. Im Lukas-Werk in Braunschweig lernen Patient:innen, in genau solchen Situationen mit ihrer Angst umzugehen – schon bald noch gezielter, und zwar mithilfe von Virtual- Reality-Technologie. Seit Februar wird in den Reha-Tageskliniken für Psychosomatik und Abhängigkeitserkrankungen eine VR-Brille getestet. 

„Damit ergeben sich viele neue Möglichkeiten, die wir in der klassischen Therapie nicht haben“, erklärt Tuna Ucgun, Chefarzt des Reha-Zentrums St. Leonhard. Denn Patient:innen einfach in reale Stresssituationen zu begleiten – etwa in eine volle U-Bahn oder auf eine Party – sei nicht nur aufwendig, sondern für viele auch zu belastend. „In realen Situationen ist es schwieriger, das Tempo und die Intensität der Reize individuell anzupassen – genau hier bietet die virtuelle Umgebung ein sicheres und gut steuerbares Übungsfeld.“

Der Angst im geschützten Raum begegnen

Im geschützten Rahmen der Tagesklinik hingegen kann die virtuelle Realität gezielt eingesetzt werden. Dafür steht nun ein eigens ausgestatteter Raum zur Verfügung. An der Tür weist inzwischen ein neues Schild auf seine Funktion hin: VR-Labor. Der Raum selbst ist minimalistisch eingerichtet, um Bewegungsfreiheit zu ermöglichen, sobald die VR-Brille aufgesetzt ist.

Die Szenarien sind vielfältig: ein gläserner Fahrstuhl, eine Aussichtsplattform in luftiger Höhe, eine gefüllte U-Bahn, ein belebten Platz in der City. Allesamt typische Situationen, die im Alltag Angst, Scham oder inneren Stress auslösen können – in der virtuellen Welt aber unter kontrollierten Bedingungen erlebt werden. „Wir können gezielt auf den jeweiligen Patienten abgestimmte Dialoge, Emotionen und Handlungsverläufe simulieren“, sagt Wiebke Münkel, angehende Psychotherapeutin, die ihre berufsqualifizierende Tätigkeit 3 (BQT III) in der psychosomatischen Reha- Tagesklinik absolviert und das VR-Projekt begleitet. Studien belegen: VR kann als Medizinprodukt sehr effektiv sein. Gleichzeitig ist die Anwendung komplex. „Deshalb durchlaufen wir gerade eine erste Testphase, in der wir uns mit dem System intensiv vertraut machen“, so Ucgun. Noch versetzen sich die Therapeut:innen selbst in die Rolle der Patient:innen, während Kolleg:innen am Steuerungscomputer entscheiden, welche Welt sich vor ihren Augen entfaltet.

Stärkung der Therapiebereitschaft

Diese Selbsterfahrung sei enorm hilfreich, betont Wiebke Münkel: „Nur so können wir später besser beurteilen, welche Module für welche Patient:innen geeignet sind.“ Für sie steht fest: Der Einsatz der VR-Technologie wird nicht nur die Behandlungsmöglichkeiten erweitern, sondern kann auch die Therapiebereitschaft erhöhen, da mit der VR-Brille eine niedrigschwelligere Konfrontation im Rahmen der Therapie angeboten werden kann.

Im geschützten Rahmen der Tagesklinik kann die virtuelle Realität gezielt eingesetzt werden:

In den Tageskliniken für Psychosomatik und Abhängigkeitserkrankungen im Rehabilitationszentrum St. Leonhard in Braunschweig bietet das Lukas-Werk ein ganztägig ambulantes Behandlungsangebot für Menschen, die durch eine psychische oder psychosomatische Erkrankung oder eine Abhängigkeitserkrankung sowohl beruflich als auch privat in ihrer Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit beeinträchtigt sind. Das ganztägig ambulante Konzept ermöglicht es Patient:innen, sich tagsüber in der Rehabilitationseinrichtung aufzuhalten und zum Abend nach Hause zurückzukehren. So können sie sich nach einem Behandlungs- oder Therapietag in gewohnter Umgebung entspannen oder auch neu Erlerntes gleich im Alltag umsetzen.

Infogruppe
für Interessierte, die Reha-Tageskliniken unverbindlich kennenlernen wollen:
Jeden ersten und dritten Dienstag im Monat
15.30 Uhr (Tagesklinik Abhängigkeitserkrankungen)
16.30 Uhr (Tagesklinik Psychosomatik)
Anmeldung: t 0531.18053730

Text: Petra Neu // Foto: Bernhard Janitschke // Video: Michael Tietz