Eine innere Einstellung, die uns verbindet

– Zeichen setzen –

Die Fachschule Heilerziehungspflege in Neuerkerode setzt sich seit vielen Jahren gegen Rassismus ein.

Können Senfeier dazu beitragen, Vielfalt zu fördern?

An der Fachschule Heilerziehungspflege in Neuerkerode können Schüler:innen des Ausbildungsjahrgangs HEP 49 das durchaus bejahen. Denn die ursprünglich vermutlich aus Norddeutschland stammenden Senfeier sind eines von mehreren Gerichten, die Auszubildende beim Lernen schon gemeinsam gekocht haben und dabei immer wieder auch ins Gespräch über das Herkunftsland oder die -region der Köche und derzeit angehenden Heilerziehungspfleger:innen kommen. Fünf Nationen finden sich im Jahrgang HEP 49, an der ganzen Fachschule sind es sieben. Doch Vielfalt steht an der Fachschule weit über das ein oder andere gemeinsame Kochen hinaus im Fokus. Denn die Schule ist seit vielen Jahren „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, setzt sich intensiv gegen Diskriminierung ein und vermittelt ihren Schüler:innen eine Haltung der Toleranz und des gesellschaftlichen Engagements.

Zudem engagieren sich Menschen, die selbst Unterstützungs- oder Assistenzbedarfe haben, aktiv in dem Projekt und sind ein tragender Teil – mit der Aussicht, Fertigkeiten zu erlernen,
die für eine spätere Berufswahl oder weitere berufliche Entwicklungen nützlich sind. „Die Teilnehmenden sind neugierig auf das Projekt und freuen sich, im Rahmen ihrer Berufsorientierung ein neues Arbeitsfeld kennenzulernen“, fasst Helge Kniese die Rückmeldungen zusammen. Dabei werde auch immer wieder nachgehakt und über das Projekt
an sich gefragt, etwa ob den Menschen das von ihnen gebaute Bettgestell gefallen habe. 

Schule als Ort der Begegnungen

Schulleiterin Annegret Jäkel betont: „Vielfalt ist uns wirklich wichtig. Wir sehen uns hier als einen Ort, an dem wir uns gemeinsam mit unseren Schüler:innen auf den Weg gemacht haben, achtsam und mutig in unserer Gesellschaft zu agieren.“ Lehrkraft Dominik Meyer ergänzt: „Inklusion betrifft alle Menschen. Wir wollen ein positiv wertschätzendes Menschenbild vermitteln. Das ist unsere Grundhaltung – und zwar allen Menschen gegenüber.“ 

Das Engagement zeigt sich in zahlreichen Maßnahmen und Projekten. So fand zuletzt etwa ein Thementag zu Extremismus statt, der ein kritisches Bewusstsein gegenüber radikalen Ideologien fördert. Jeder Ausbildungsjahrgang besucht die Gedenkstätte Bernburg, um die Folgen der NS-Zeit insbesondere für Menschen mit Beeinträchtigungen noch besser reflektieren zu können. Politische Bildung im Unterricht stärkt das Demokratieverständnis, während die Teilnahme an Demonstrationen gegen rechts ein sichtbares Zeichen gegen Extremismus setzt. Im Februar beteiligten sich Schüler:innen auch an einem politischen Nachmittag im Vorfeld zur Bundestagswahl, der für die Bürger:innen des inklusiven Dorfes organisiert wurde. Auch das ZDF war vor Ort, um über das inklusive Wahlrecht zu berichten.

Für Chancengleichheit im Berufsleben

Neben solch politisch geprägten Aktionen sind auch Gespräche über verschiedene Kulturen und Religionen Teil des Unterrichts, um den Blick für Diversität und kultursensible Pflege zu schärfen. Zu Beginn des laufenden Schuljahres konnten erstmals auch Sprachkurse für Schüler:innen aus dem Ausland angeboten werden – zusätzliche freiwillige und für die Auszubildenden kostenlose Deutschstunden, die nicht nur eine wertvolle Unterstützung für den schulischen Alltag sind, sondern auch ein wichtiger Schritt hin zu mehr Chancengleichheit im Berufsleben.

Maximilian Ahlers: „Ich schätze es sehr, dass wir das Konzept „Schule gegen Rassismus“ wirklich leben. Wir haben einen starken Klassenzusammenhalt, teilen die Begeisterung für unseren Beruf und stehen füreinander ein. Menschen mit Behinderung erfahren im Alltag häufig Diskriminierung. Das ist durchaus auch eine Form von Rassismus und wir sehen es als unsere Aufgabe, in diesem Bereich aufzuklären und für Toleranz und Respekt zu werben.“

Dennis Janke: „Unsere Lehrkräfte leben uns vor, gemeinsam stark für Inklusion und gegen einen Rechtsruck in der Gesellschaft einzustehen. Das finde ich richtig gut. Gerade mit Blick auf das, was derzeit in der Politik passiert, ist unser Engagement wichtig. Ein so hohes politisches Engagement wie an der Fachschule Heilerziehungspflege kannte ich aus meiner vorangegangenen Ausbildung nicht. Es ist eine innere Einstellung, die uns verbindet. Und das macht Neuerkerode so menschlich.“

„Unsere Klasse setzt sich zusammen aus Menschen verschiedenster Länder, wir sind unterschiedlich alt, haben verschiedene Biografien, Personen, die sich selbst als nicht cis-hetero fühlen. Wir nehmen uns einfach als Mensch wahr. Und gemeinsam sind wir der Jahrgang HEP 49. Das ist unsere Identität.“ Taylor Schmidt

Antsaniony Ravonjiarisoa: Ich fühle mich hier sehr wohl. Alle haben Verständnis dafür, dass ich nicht so gut Deutsch spreche, und unterstützen mich. Wenn wir uns für Inklusion einsetzen, können wir eine bessere Zukunft für Menschen mit Behinderung und alle anderen ermöglichen.“

Text: Petra Neu // Fotos: Bernhard Janitschke