Eine kurze Kugelschreibernotiz auf blauem Kasack – der schnellste und einfachste Weg, um die Information festzuhalten, die gerade am Telefon durchgegeben wurde. Zettel gibt es im OP-Trakt selten und ehe er einen Block aus dem Raum nebenan besorgt, klingelt schon wieder eines seiner beiden Telefone. Für Matthias Lotze sind Notizen auf der OP-Kleidung Routine – kleine Merker in seinem Berufsalltag, der manchmal kaum Pausen kennt. Seit 15 Jahren ist Matthias Lotze OP-Manager am Krankenhaus Marienstift in Braunschweig. Unter seine Verantwortung fällt die Gesamtleitung OP und Anästhesie, die zentrale Sterilgutversorgung und das OP-Management. „Man muss sich den Alltag hier wie einen großen Bahnhof vorstellen“, sagt Lotze. „Es gibt einen Fahrplan, aber dann fällt ein Zug aus, ein anderer verspätet sich, Personal muss für einen Ersatzzug bereitgestellt werden.“
Alles muss weiterlaufen
Lotze sorgt dafür, dass Teams vollständig sind, Pausen eingehalten werden und OP-Kapazitäten effizient ausgelastet sind. Er terminiert die einzelnen Eingriffe und Nachmeldungen, hat im Blick, dass die sogenannten Instrumentensiebe, die benötigten Implantate und das medizinische Zubehör für die jeweilige Operation bereitstehen. Klemmt eine OP-Tür oder besteht anderweitig Bedarf an Reparatur oder Wartung, geht Lotze in den Austausch mit dem Technischen Dienst oder der Medizintechnik am Marienstift. Auch das fällt in seinen Aufgabenbereich. Gemeinsam mit dem Teamleiter des Operationsbereichs und dem Chefarzt der Anästhesie bildet er ein eingespieltes Trio: Sie behalten Abläufe und Ressourcen im Blick und stehen in engem Kontakt mit den Kolleg:innen in den Sälen. Welche Eingriffe stehen an, gibt es Besonderheiten oder Engpässe? Danach wird das Personal auf die Säle verteilt – Chirurgie, Gynäkologie, plastisch, ästhetische und Handchirurgie, Orthopädie und HNO. „Unser Ziel ist, den Tag so effizient wie möglich zu gestalten“, sagt Lotze. Und dabei spielen viele Faktoren eine Rolle.
Jede Operation ist anders
Die Zeit für eine Blindarm-OP hängt auch davon ab, wer sie durchführt. Das Marienstift ist ein Ausbildungskrankenhaus. „Erfahrene Operateure sind schneller, junge Ässistenzärzt:innen brauchen mehr Zeit, die wir geben möchten, damit sie unter Anleitung lernen.“ Doch jeder noch so gute Plan ist hinfällig, wenn plötzlich ein Notfall gemeldet wird – heute ein Darmverschluss, der keine halbe Stunde warten konnte, oder eine akute Blinddarmoperation, die zeitnah operiert werden musste. Für Lotze bedeutet das: umplanen, Personal verschieben, schauen, ob die benötigten Instrumente zur Verfügung stehen, Abläufe anpassen. „Manchmal ist das wie ein Dominoeffekt“, sagt er. Ein Eingriff wird zeitlich nach hinten gelegt, ein anderer muss auf den nächsten Tag weichen. „Das versuchen wir nach Möglichkeit zu vermeiden, schon weil sich Patient:innen mental auf ihre OP vorbereiten. Diesen Stress wollen wir ihnen nicht doppelt zumuten. Wir führen auch viele Operationen bei Kindern durch. Hier ist es besonders wichtig, diese sicher in festen Zeitfenstern zu planen.“ Wenn eine Operation dann einmal läuft, gibt es kein Zurück. „Das ist wie in einer Bobbahn – man kann nicht mehr bremsen“, erklärt er.
Lotze ist gelernter OP-Fachpfleger. Bis heute ist er auch regelmäßig im operativen Einsatz im OP-Saal tätig. Wenn Personalausfall besteht oder Pausenablösungen gebraucht werden, springe er auch ein. „Ich bin OP-Pfleger, das bleibt man.“ Die Arbeit am Patienten ist für ihn zudem eine willkommene Ergänzung zu seinen Managementaufgaben – da hat man seinen Bereich, seine Routine und bleibt im direkten Austausch mit den Kolleg:innen. Außerdem brauche er die OP-Erfahrung. „In der Medizin ändert sich so viel – neue Technik, neue Instrumente, neue Implantate. Wenn man da nicht am Ball bleibt, kann man irgendwann die Abläufe weniger gut steuern.“
Teamarbeit
Rund 60 Mitarbeitende aus zwölf Nationen arbeiten täglich im OP-Bereich am Marienstift – Operateur:innen, Pflegekräfte, Anästhesist:innen, Reinigunspersonal und medizischische Fachangestellte. „Das ist sehr bereichernd. Und es hilft, wenn Patient:innen kein Deutsch sprechen. Kolleg:innen, die Arabisch, Spanisch, Polnisch, Türkisch, Kroatisch oder Russisch können, nehmen Ängste und schaffen Vertrauen.“ Auch fachliche Fragen von Patient:innen können besser erklärt werden.
38 Jahre ist es inzwischen her, dass Lotze am Marienstift seine Ausbildung begann. Zwischenzeitlich lernte er andere Häuser kennen und kehrte mit wertvollen Erfahrungen im Gepäck zurück. „Das Marienstift ist ein kleines, aber feines Haus.“ Kurze Wege, direkter Kontakt in die Leitungsebenen, schnelle Entscheidungen mit Geschäftsführung und Pflegedirektion – das schätzt er besonders. Als er am Marienstift anfing, gab es noch 35 Diakonissen.
„Das war eine prägende Zeit. Menschen, die ihren Beruf als Berufung verstanden. Diese Haltung spürt man hier bis heute.“
Pendeln zwischen Schreibtisch und Operationssaal
Am späten Nachmittag ist Lotze etliche Male zwischen Büroschreibtisch und Operationstrakt hin und her gependelt. Nun schaut er auf die große digitale OP-Tafel für alle vier Säle. Rot steht für laufende Eingriffe, Gelb für Nachmeldungen, Blau für anstehende Operationen. Zum Ende des Tages färben sich alle Einträge langsam grün. „Das schaffen wir jeden Tag. Manchmal ist eben nur die Frage, wann.“ Für heute aber haben Lotze und sein Team einen fordernden Tag hinter sich. Der Darmverschluss und die akute Blinddarmentzündung konnten erfolgreich operiert werden. Alle weiteren Eingriffe sind gelaufen, die Patient:innen versorgt. „Never change a running system“, sagt Matthias Lotze und lächelt.
Text: Petra Neu // Fotos: Bernhard Janitschke, Unternehmenskommunikation esn // Video: Sarah Uhde

