Im Wandel wachsen

– Im Gespräch –

Ein Berg mit Gipfelkreuz. Mal steil, mal flach, manchmal auch mit Nebel – aber immer mit dem Ziel, oben anzukommen und unterwegs nicht vergessen, innezuhalten, sich für den Aufstieg zu stärken. Dieses Bild kommt Jeannette Siering in den Kopf, wenn sie an die vergangenen anderthalb Jahre denkt, in denen sie die Aufnahme der Regenesa in den Unternehmensverbund der esn koordinierte. Regenesa widmet sich seit fast 80 Jahren der Gesundheitsfürsorge von Frauen, Müttern und Kindern und bietet hierfür Vorsorgemaßnahmen an der Nordsee an. Allein aufgrund der Entfernung ist die Integration somit schon eine Herausforderung. Im Interview blickt Jeannette Siering zurück auf eine Zeit voller Herausforderungen, Chancen – und persönlicher Entwicklung. Auf eine Zeit bei der, ganz wie beim Bergsteigen, jeder Schritt zählt, auch wenn man zwischendurch mal durchschnaufen muss.

Frau Siering, Sie waren rund zehn Jahre im Lukas-Werk als Referentin tätig, bevor Sie vor anderthalb Jahren die Leitung der Regenesa – zunächst kommissarisch und seit Juni 2025 mit Prokura – übernommen haben. Wie war es, plötzlich selbst in der Rolle der Leitung zu sein? 

Ich erinnere mich noch genau an den Tag vor anderthalb Jahren, als ich aus dem Urlaub kam und eine Einladung vom Personalvorstand im E-Mail-Postfach hatte. Diese Nachricht hat mich wirklich tief berührt, weil ich gespürt habe: Man traut mir da wirklich etwas zu. Das hat mich stolz gemacht und gleichzeitig motiviert, es richtig gut zu machen. Früher habe ich als Referentin oft Ideen und Impulse an Leitungskräfte gegeben. Jetzt bin ich selbst in dieser Rolle und merke, wie viel es bedeutet, Menschen für Ideen zu gewinnen und sie mitzunehmen. Es ist ein Unterschied, ob man Vorschläge macht oder sie selbst mit umsetzen und tragen muss. Diese Erfahrung hat meinen Blick sehr erweitert.

Gab es da auch Entscheidungen, die Ihnen schwergefallen sind? 

Die schwerste Entscheidung war, dass wir die Familienferienstätte auf Spiekeroog in 2026 schließen müssen. Der Entschluss entspringt der wirtschaftlichen Vernunft, da die Ferienstätte dauerhaft rote Zahlen schreibt. Trotzdem sind das keine leichten Momente, weil da Menschen und Engagement dahinterstehen. Die Familie Koch ist wunderbar und hat über viele Jahre mit viel Herzblut diese Familienfreizeitstätte geprägt. Ich weiß, was diese Einrichtung für viele Familien bedeutet. Aber Verantwortung Verantwortung zu übernehmen heißt auch, gemeinsam neue Wege zu gestalten. Wichtig ist mir aber: Für die Mitarbeitenden wird es Lösungen geben. Wir möchten ihre Kompetenzen, ihre Erfahrung und ihre Stärken unbedingt weiter nutzen. Sie gehören zur Regenesa, jetzt und in Zukunft.

Gibt es Dinge, die Sie heute anders machen würden als vor anderthalb Jahren?

Ich würde manches ruhiger und mit etwas mehr Geduld angehen. Am Anfang war ich sehr darauf fokussiert, Dinge schnell zu verändern und nach vorne zu bringen. Ich habe gelernt, dass Führung auch heißt, Prozesse wachsen zu lassen und Raum für Entwicklung zu geben. Sie bedeutet nicht nur, Entscheidungen zu treffen, sondern es geht ebenso darum, zuzuhören, Vertrauen zu geben und selbst lernfähig zu bleiben. Trotz aller wirtschaftlichen Verantwortung möchte ich meine Empathie bewahren – denn beides gehört für mich zusammen: Herz und Haltung.

Was hat Sie in dieser Zeit besonders getragen? 

Ich hatte unglaublichen Rückhalt im gesamten Verbund der esn. Ich konnte mich jederzeit an alle wenden, alle standen mit Rat und Tat zur Seite. Das hat mich beeindruckt und zeigt, wie stark wir gemeinsam im Verbund sind. Ich bin dankbar dafür, dass mir Simone Wieczorek als Geschäftsführerin den Freiraum gegeben hat, eigene Entscheidungen zu treffen und aus diesen zu lernen. Sie unterstützt mich jederzeit und gibt mir wertvolle Impulse. Und allen voran danke ich natürlich den Menschen an den Standorten selbst: Ich bin in eine Struktur gekommen, die sehr vielfältig und räumlich weit auseinandergezogen ist – Juist, Norddeich, Spiekeroog und die Geschäftsstelle in Hannover. Diese Entfernungen machen vieles komplexer, aber sie zeigen auch, wie stark der Zusammenhalt über Distanz hinweg sein kann, wenn man ihn pflegt. Stellvertretend möchte ich mich hier bei Susanne Gantenberg, Leitung der Vorsorgeklinik „Die Insel“ auf Juist, und bei Henning Olesen und Bärbel Sperl, der aktuellen und ehemaligen Leitung unserer Kurklinik „Haus am Deich“ in Norddeich, bedanken. Und natürlich bei dem Team aus der Geschäftsstelle in Hannover, das vieles mitgetragen hat. Solche Menschen sind für mich echte Diamanten: Sie tragen Geschichte, Erfahrung und Werte in sich, von denen ich selbst viel lernen kann. Gemeinsam konnten wir schon viel bewegen.

Ich wünsche mir, dass wir mutig bleiben und Veränderungen nicht als Bedrohung sehen, sondern als Chance, gemeinsam stärker zu werden.

Wie blicken Sie in die Zukunft? 

Unsere Arbeit ist Vorsorgearbeit für die Zukunft – für die Gesundheit, die Stärke und das Wohl der Familien, die uns anvertraut sind. Die Frauen, die zu uns kommen, leisten Tag für Tag Sorgearbeit – für ihre Familien, für das gesellschaftliche Miteinander, für die nächste Generation. Sie tragen große Verantwortung, oft still und selbstverständlich. Dass wir sie 21 Tage lang begleiten dürfen, sie unterstützen, stärken und entlasten, ist ein Privileg. Denn in ihrer Stabilität liegt auch ein Stück unserer gemeinsamen Zukunft. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass wir weiter mutig bleiben – gemeinsam im Verbund. Dass wir Veränderungen nicht als Bedrohung sehen, sondern als Chance, gemeinsam stärker zu werden. Und ich wünsche mir, dass wir weiterhin so viele tolle Menschen haben, die mit uns diesen Weg gehen. Denn das macht unsere Arbeit aus: Herz, Haltung und Zusammenhalt.