Es ist ein Moment, in dem Patricia Kunth anfängt zu weinen. Mitten auf dem Deich, als sie dort an einem kalten Dezembertag im Corona-Winter 2021 mit Frederik spazieren geht. In Norddeich an der niedersächsischen Nordsee sagt ihr damals 11 Jahre alter Sohn:„Mama, weißt du was – Wir kommen richtig gut alleine klar.“ Dann fließen die Tränen, auch weil Patricia Kunth gelernt hat: Es ist ok, Gefühle zu zeigen, zu weinen und nicht immer nur die starke Mutter zu sein.
„Dieser Spaziergang damals hat mir Mut gegeben. Und gleichzeitig wusste ich – mein Leben wird ab jetzt anders laufen. Das brauchte auch harte Entscheidungen“, sagt Patricia Kunth gut eineinhalb Jahre nach ihrem Aufenthalt im „Haus am Deich“, einer Vorsorge-Klinik der Regenesa gGmbH, die seit Kurzem zur Unternehmensgruppe der esn gehört und unter anderem Mutter-Kind-Kuren anbietet. „Ich selber habe vor der Kur nicht wirklich gesehen, wie schlecht es mir ging“, berichtet Kunth. Doch eigentlich habe sie nur noch funktioniert. „Ich bin morgens um 4 Uhr aufgestanden. Jeden Tag habe ich mich wie ein Roboter gekümmert: um den Haushalt, den Hund, meinen Sohn. Dann noch mein 40-Stunden-Job mit etlichen Überstunden. Zeit für mich gab es nicht.“ Ein Hamsterrad. Als sie schließlich zu ihrer Hausärztin geht, sagt sie: „Ich kann nicht mehr.“ Die Mutter-Kind-Kur wird ihr schnell bewilligt.
Im Haus am Deich in Norddeich sortiert sie sich neu und ordnet ihr Leben. Abgestimmt auf ihre persönliche Situation und die ihres Sohnes erhält Patricia Kunth speziell ausgewählte therapeutische Anwendungen. Sie nimmt an Sport- und Bewegungsangeboten teil, macht Entspannungstraining, Physiotherapie, nutzt die Ernährungsberatung für sich. „Wir sind dort unglaublich herzlich aufgenommen worden. Gefühlt wurde uns jeder Wunsch von den Lippen abgelesen. Highlights waren für mich die Gespräche mit der Psychologin. Ich habe mich anfangs nicht wirklich geöffnet. Aber die Psychologin hat gesehen, was ich brauche und hat behutsam mit mir gearbeitet.“
Gemeinsam gestärkt und gefestigt
Abseits der medizinisch-therapeutischen Anwendungen lernen Patricia Kunth und ihr Sohn Frederik andere Mütter und Kinder kennen, die am selben Tag in die Kur gestartet sind. In den gemeinsamen drei Wochen wachsen Vertrauen und Offenheit. „Da gab es so viele schöne und auch sehr witzige Momente“, erinnert sich Patricia etwa daran, dass manchmal nach dem Mittagessen der Koch aus der Küche kam, laut die Musik aufgedreht hat und die Müttern gemeinsam mit ihm durch den Speisesaal getanzt sind. „Aber vor allem habe ich festgestellt: Ich bin nicht alleine. Viele Mütter hatten genau das gleiche erlebt wie ich. Ich fühlte mich verstanden. Zu manchen habe ich bis heute Kontakt.“ Und auch für ihren Sohn Frederik ist die Zeit in Norddeich eine besondere. „Wir sind da total gestärkt und gefestigt rausgegangen, haben gelernt, über alles miteinander zu sprechen und uns zu sagen, wie wir uns fühlen. Bis heute führen wir regelmäßig unsere ‚Kein-Verurteiler-Gespräche‘.“
Drei Wochen und viel Veränderung
Am Ende der dreiwöchigen Kur ist Patricia Kunth nicht nur fünf Kilogramm leichter, sondern vor allem um einige Erkenntnisse reicher. Sie wechselt die Arbeitsstelle, trennt sich von ihrem damaligen Partner, „weil ich erkannt habe, dass er Probleme mit sich hat, aber nicht ich das Problem bin“ und zieht mit Frederik an einen anderen Ort. Doch die größte Veränderung ist aus ihrer Sicht eine andere:
„Ich habe gelernt, mich selbst zu lieben.“
Nach Norddeich fährt sie seit ihrer Kur regelmäßig mit Frederik. Dann spazieren sie über den Deich, genießen das Meer oder gehen ins Teehaus. „Norddeich ist ein Ort für uns geworden, der alles verändert hat. Unser zweites Zuhause.“
Text: Petra Neu // Fotos: Bernhard Janitschke /privat
Über Regenesa
Regenesa führt seit 1947 das Engagement der Frauen der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers in der Müttererholungsarbeit fort. In den Kliniken in Norddeich und auf Juist werden ganzheitliche, ressourcenorientierte und geschlechtsspezifische Vorsorgemaßnahmen für Frauen bzw. Mütter und Kinder angeboten, um die Gesundheit sowie Lebenskraft und -freude wieder zu erlangen, zu stärken und dauerhaft zu erhalten. Weiterhin betreibt Regenesa auf Spiekeroog die evangelische und gemeinnützige Familienferienstätte Haus Seerose und bietet damit Urlaubsmöglichkeiten insbesondere für kinderreiche und einkommensschwächeren Familien sowie besonderen Gruppen an.