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Krankenhäuser vor der Zerreißprobe

Fachkräftemangel, ausufernde Bürokratie und unzureichende Finanzierung belasten Kliniken massiv – Lage spitzt sich aufgrund von Inflation und Pandemie bedrohlich zu – Krankenhäuser fordern in gemeinsamer Aktion akute Hilfe von der Politik

Die Krankenhäuser in der Region SüdOstNiedersachsen schlagen Alarm: In Braunschweig haben sie gemeinsam unter dem Motto „Die Krankenhäuser stehen vor der Zerreißprobe“ auf ihre massiv angespannte Lage aufmerksam gemacht und den dringend notwendigen Handlungsbedarf aufgezeigt. Anhand von zwei LKWs, die symbolisch ein Krankenhausbett auseinanderziehen, wurden die enormen personellen und finanziellen Belastungen dargestellt, denen die Krankenhäuser derzeit ausgesetzt sind. „Die Situation der Krankenhäuser ist so angespannt wie nie zuvor. Die aktuellen inflationären Kostensteigerungen können systembedingt nicht über Preissteigerungen für die Leistungen refinanziert werden und zehren binnen weniger Monate jegliche Liquiditätsreserven auf“, sagte Axel Burghardt Geschäftsführer des Städtischen Klinikums Wolfenbüttel in seiner Funktion als Vorsitzender der Bezirksarbeitsgemeinschaft Braunschweig der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG).

Die Veranstaltung in Braunschweig fand im Rahmen einer landesweiten Aktion der niedersächsischen Krankenhäuser gemeinsam mit der Krankenhausgesellschaft statt.

Hintergrund ist eine bedrohliche Zuspitzung der wirtschaftlichen Schieflage der Krankenhäuser durch starke Kostensteigerungen für Energie, medizinische Produkte, Medikamente sowie Lebensmittel. Aufgrund des starren Finanzierungssystems können die Krankenhäuser diese Mehrkosten nicht in Form von Preiserhöhungen weitergeben. Parallel dazu haben die Kliniken nach wie vor mit gravierenden personellen und wirtschaftlichen Belastungen infolge der Corona-Pandemie zu kämpfen. Seit dem ersatzlosen Auslaufen des Corona-Rettungsschirms im Juni werden die finanziellen Einbußen jedoch nicht mehr abgefedert.

Fachkräftemangel, überbordende Bürokratie sowie eine ungenügende Investitions- und reformbedürftige Betriebskostenfinanzierung belasten die Kliniken bereits seit Jahren, ohne dass eine Verbesserung absehbar ist. Im Gegenteil: Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser im Land verschlechtert sich zunehmend. Umfragen der NKG zufolge sind inzwischen mehr als drei Viertel der niedersächsischen Krankenhäuser mittel- bis langfristig in ihrer Existenz bedroht. In den Vorjahren traf dies auf rund zwei Drittel der Krankenhäuser zu. Der NKG zufolge ist damit die aktuelle Situation für viele Krankenhäuser existenzgefährdend. Wie die stationäre Versorgung unter den gegenwärtigen Bedingungen künftig flächendeckend und in der gewohnt hohen Qualität gewährleistet werden kann, ist fraglich. Nicht zuletzt angesichts einer erneut drohenden Pandemiewelle im Herbst- und Winter ist kurzfristig ein Inflationsausgleich zur wirtschaftlichen Absicherung der Krankenhäuser und Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit erforderlich.

Über akute Hilfsmaßnahmen hinaus muss mittelfristig das System der Krankenhausfinanzierung durch den Bund reformiert werden. Dieses setzt Fehlanreize und hat den Krankenhäusern im bisherigen Verlauf der Pandemie Defizite beschert, die nicht mehr kompensiert werden können. Angesichts eines Investitionsstaus von 2,5 Mrd. Euro für Krankenhausbauprojekte in Niedersachsen ist darüber hinaus eine dauerhafte Erhöhung der Investitionsmittel durch das Land erforderlich. Wichtige Investitionen etwa für Digitalisierung und Klimaschutz können die Krankenhäuser nicht aus eigener Kraft aufbringen.

Entscheidend für die Krankenhäuser sind zudem politische Weichenstellungen für eine bessere Personalausstattung. Die Pandemie hat gezeigt, dass mit Blick auf die Versorgungssicherheit das Personal der limitierende Faktor ist. Die Beschäftigten in den Krankenhäusern sind im dritten Jahr der Pandemie mit ihren Kräften am Ende. Wiederholte Phasen extremer Belastung haben angesichts dünner Personaldecken deutliche Spuren bei den Mitarbeitenden hinterlassen. Aufgrund der Corona-Sommerwelle und den damit einhergehenden Personalausfällen zeichnet sich auch jetzt keine Atempause für die Beschäftigten ab. Mit Blick auf den Herbst ist das besorgniserregend. Nach Ansicht der Krankenhäuser ist es deshalb erforderlich, das Klinikpersonal schnellstmöglich von den umfangreichen bürokratischen Dokumentationspflichten zu entbinden. Die gewonnene Zeit könnte unmittelbar für die Patientenversorgung genutzt werden. Die Krankenhäuser erhielten zudem mehr Spielraum in der Personalplanung, wenn Pflegepersonaluntergrenzen erneut ausgesetzt würden.

Besonders bitter ist aus Sicht der Krankenhäuser, dass das politische Versprechen mit der Einführung von Pflegebudgets für eine vollständige Finanzierung und damit bessere Arbeitsbedingungen der Pflegenden zu sorgen, bislang nur unzureichend eingelöst wurde. In der Folge bleiben die Krankenhäuser auf den Kosten für zusätzlich eingestellte Pflegekräfte sitzen. Aufgrund derzeit geplanter Haushaltskürzungen auf Bundesebene besteht sogar die Gefahr, dass für weitere Berufsgruppen in der Pflege die Refinanzierung entfällt.

„Die Bundespolitik kann und darf ihre Krankenhäuser in der immer noch andauernden Pandemie nicht fallen und in kürzester Zeit in die Zahlungsunfähigkeit abstürzen lassen. Nur eine schnelle und kurzfristig umzusetzende bundespolitische Regelung wie ein verbindlich durch die Krankenkassen zu zahlender Inflationsausgleich auf jede Krankenhausrechnung kann die Masse der deutschen Krankenhäuser davor bewahren“, fasste Axel Burghardt die Erwartungen an die Politik im Namen aller Mitglieder der Bezirksarbeitsgemeinschaft abschließend zusammen. 

 

 

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