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Weltgesundheitstag: Gesundheitliche Chancengleichheit

Anlässlich des Gründungsdatums der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1948 findet jährlich am 7. April der Weltgesundheitstag statt. Das Kampagnenmotto für 2021 lautet "Building a fairer, healthier world". Der Fokus auf das Thema "gesundheitliche Chancengleichheit" (health equity) wurde nicht zuletzt auch wegen der Pandemie gewählt, da sich Ungleichheiten in vielen Bereichen durch die Krise noch verschärft haben. Dr. med. Ekkehard Möbius, Chefarzt und Facharzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Krankenhaus Marienstift, erläutert im Interview, was aus seiner Sicht zu mehr Chancengleichheit im Gesundheitssektor führen würde.

Herr Möbius, wie weit ist die Weltgesundheitsorganisation ihrer Meinung nach auf dem Weg zu einer faireren und gesünderen Welt?

Ohne Frage hat die WHO schon viel bewirkt. Sie unterstützt den Aufbau regionaler Gesundheitssysteme in ärmeren Ländern. Sie informiert über ansteckende Krankheiten und hat mit Impfprogrammen beispielsweise die Ausrottung der Pocken bewirkt. Auch bei der Bekämpfung des Polio-Erregers, der Kinderlähmung auslöst, hat sie ihr Ziel bald erreicht. Diese Leistungen kann man gar nicht hoch genug wertschätzen.

Aber es gab auch schon Kritik – etwa beim Umgang mit der Schweinegrippe oder dem Ebola-Ausbruch 2014. Wie schlägt sie sich in der derzeitigen Pandemie?

Diese Pandemie ist eine weltweite Herausforderung, auch für die WHO. Einfache Lösungen – diese Erfahrung machen wir seit über einem Jahr – gibt es praktisch nicht. Insbesondere die Lösung der Impffrage zugunsten der ärmeren Länder ist offenbar in der allgemeinen Interessens-Gemengelage schwierig zu bewältigen, was ich sehr bedauere.

Bei der Verteilung der Impfstoffe herrscht alles andere als Chancengleichheit.

Ja, das ist richtig. Israel ist praktisch mit seinen Impfwilligen durch. In vielen afrikanischen Ländern steht man hingegen erst am Anfang. Dabei hätte man das Problem der Impfstoffknappheit schon vor langer Zeit entschärfen können.

Wie?

Indem man den Patentschutz für Impfstoffe aufgehoben hätte. In einer solchen Ausnahmesituation wäre so eine Maßnahme sicher möglich. Durch die Patentfreigabe könnten die Mittel von anderen Firmen nachproduziert werden.

„Das Problem der Impfstoffknappheit müsste keins sein“

Kritiker meinen, dass der marktwirtschaftliche Anreiz dann fehlen würde und die Unternehmen in dem Fall nicht mehr in Forschung und Entwicklung investieren würden.

Im Zusammenhang mit Covid-19 sind viele öffentliche Gelder geflossen. Unternehmen wie Curevac oder Biontec haben dreistellige Millionenbeträge vom Bund bekommen. Außerdem könnten sie im Falle der erfolgreichen Entwicklung als Ausgleich für die Aufhebung des Patentschutzes auch noch einmal zusätzlich entschädigt werden. Im Vergleich zu den Milliardenkosten als Folge der Lockdowns wäre das für die Staaten vermutlich ein vergleichsweise kleiner Betrag.

Auch innerhalb Deutschlands herrscht in der Medizin keineswegs Chancengleichheit, oder?

Nein, das Problem betrifft auch viele Krankenhäuser. Das pauschalierte Abrechnungsverfahren gemäß des DRG-Systems sorgt für Ungleichheiten, die sich nicht nur auf die Träger, sondern letzten Endes auch auf die Patienten auswirken.

Und in Bezug auf die Krankenversicherung ist oft von einer Zwei-Klassen-Medizin die Rede.

Fakt ist, dass das Nebeneinander von gesetzlichen und privaten Krankenkassen nicht für Gerechtigkeit sorgt. Privatpatienten erhalten leichter Termine und bekommen mehr Untersuchungen bezahlt. Oft häufen sich immense Verwaltungskosten an, die zu Lasten des medizinischen Budgets gehen. Im Sinne einer Solidargemeinschaft wünsche ich mir eine Bürgerversicherung, in die jeder vom Hartz IV-Empfänger bis zum Top-Verdiener seinen Möglichkeiten entsprechend mit einer Ober- und Untergrenze einzahlt. Mehrleistungen würden durch eine Zusatzversicherung möglich.

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