Kunsttherapeutin in der fachklinik Erlenfrund des Lukas-Werks

Plötzlich alles auf Abstand

2020 wird uns in Erinnerung bleiben als das Jahr, in dem ein Virus die Welt übernahm – zumindest eine ganze Zeit lang. Wer von uns hätte gedacht, dass das Leben, wie wir es kennen, plötzlich ganz anders wird – gefühlt innerhalb weniger Tage. Und wer hätte sich Anfang des vergangenen Jahres vorstellen können, welche Veränderungen uns noch bevorstehen – privat wie beruflich.

Heute möchten wir einen Blick auf den Corona-Alltag im vergangenen Jahr im Lukas-Werk werfen. Wer hätte es für möglich gehalten, dass wir Beratungen und Behandlungen mit Masken machen, per Telefon oder via (Video-)Chat – und, dass es tatsächlich funktioniert!

Abstandregeln, Einzelzimmer, Essen in Schichten

Um den Fortlauf von Therapien sicherzustellen, haben wir in der Fachklinik Erlengrund frühzeitig umfangreiche Hygienemaßnahmen umgesetzt. Da Schutzmaterialien zu diesem Zeitpunkt nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung standen, nähten wir im ersten Lockdown gemeinsam mit Patient:innen Alltagsmasken und nahmen auch ehrenamtliche Angebote der Region in Anspruch, um die Versorgung mit Mund-Nasen-Bedeckungen zu gewährleisten. Zudem haben wir ab März 2020 Patien:innen ausschließlich in Einzelzimmern untergebracht, erweiterten den Speisesaal, führten Schichten beim Essen ein und nutzten nahezu alle Räume für die Therapie, um Abstandsregeln einzuhalten und die Situation weiter zu entzerren. Darüber hinaus konnten wir mit dem Gesundheitsamt Salzgitter vereinbaren, dass ab Frühjahr 2020 alle Neuaufnahmen der Fachklinik zweimal mittels PCR-Testung überprüft wurden. Auch Schutzausrüstungen sowie Antigentests waren im weiteren Verlauf in ausreichendem Maße verfügbar, sodass wir zunächst allen Mitarbeitenden und Patient:innen einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz und ab Herbst, mit Beginn der zweiten  Pandemiewelle, durchgängig FFP2- Masken zur Verfügung stellen und niederschwellig PoC-Testungen etablieren konnten. All diese Maßnahmen trugen dazu bei, dass wir 2020 keinen Infektionsfall in der Fachklinik hatten, obgleich wir unsere sehr liberalen Ausgangsregelungen nur geringfügig anpassen mussten. Das trug zu einer hohen Patient:innenzufriedenheit sowie einer im Vergleich zum Vorjahr beständig niedrigen Abbruchquote bei.

„Es ist toll, dass man uns so früh schon gute Masken zur Verfügung gestellt hat und wir dadurch mehr Freiheiten hatten, sodass ich auch unter Corona meine Angehörigen sehen konnte.“


Patient, 52 Jahre, aus der Reha-Fachklinik Erlengrund

Beratung per Telefon, via Chat und im Netz

In unseren Fachambulanzen und Reha-Tageskliniken wurden im ersten und zweiten Lockdown die persönlichen Kontakte soweit wie möglich reduziert und Präsenzgruppen vorübergehend eingestellt. Unsere ambulante Reha-Gruppe in Einbeck wurde zeitweise in drei Gruppen aufgeteilt, da die Außenstelle deutlich zu klein war. Erst im Oktober, nach Einzug in eine neue Außenstelle, entspannte sich die Situation aufgrund des größeren Gruppenraumes.

Gleichzeitig wurden Beratungs- und Behandlungsangebote auf Videoformate umgestellt und viele Anliegen der Patient:innen telefonisch besprochen. Auf Wunsch der Patient:innen und, sofern indiziert, haben wir auch persönliche Einzelkontakte unter Berücksichtigung des Hygienekonzeptes der Einrichtungen aufrechterhalten. Dabei war es zunächst wichtig, den Patient:innen Ängste nach einem coronabedingten Abbruch der Reha zu nehmen. Vor diesem Hintergrund wurden insbesondere die Videoformate sehr gut angenommen, welche wir im Laufe des Jahres 2020 zunehmend ausweiteten. Es gab medizinische Infoveranstaltungen, Rezepte und Bewegungsübungen, die entweder über Videokonferenz und/oder Chat umgesetzt wurden. Dabei war auch der Austausch über die Durchführung möglich.

Hand tippt auf Laptop-Tastatur

„Ich finde es toll, dass Sie sich so um uns bemühen in diesen komischen Zeiten und wir immer in Kontakt bleiben können. Ich fühle mich gut begleitet.“


Patientin (71 J.) aus der ambulanten Reha

Die Patient:innen konnten ein sehr hohes Maß an Eigeninitiative entwickeln und Fähigkeiten zur Selbstkontrolle deutlich stärken – im Umgang mit Sucht ein sehr wichtiger Aspekt. Insbesondere für Patient:innen mit Erziehungsverantwortung ergaben sich Vorteile durch unsere digitalen Angebote: Sie konnten ihre Kinder pandemiebedingt zu Hause betreuen, ohne dass die Reha abgebrochen werden musste. Gleichzeitig nutzen auch unsere Mitarbeitenden die Möglichkeit des mobilen Arbeitens. Von Mai bis November 2020 konnten wir in unseren Einrichtungen wieder Gruppentherapien unter Berücksichtigung von Schutzmaßnahmen (AHA+L; FFP2-Masken-Pflicht) anbieten; Ende November stiegen wir auf Hybridlösungen um.

Suchtverstärkung im Homeoffice

Unsere Klient:innen in der Beratung berichteten uns wiederholt, dass sie während ihrer Zeiten im Homeoffice früher und häufiger Alkohol konsumiert hätten. Die soziale Kontrolle sei weggefallen. Darüber hinaus haben viele Klient:innen den Lockdown als zusätzliche Belastung erlebt, da unter anderem durch Kurzarbeit eine klare Tagesstruktur fehlte und es vor diesem Hintergrund zu einem vermehrten Konsum gekommen sei. Auch die soziale Isolation und der Wegfall von Hobbys waren entscheidende Kriterien dafür.

Strenge Hygienevorschriften im Bereich der Behindertenhilfe

Im Bereich der Gesundheitsdienste für Menschen mit Behinderung wurden im Medizinischen Behandlungszentrum für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) in der ersten Phase des Corona-Lockdowns Patient:innenkontakte für etwa drei Wochen vollständig abgesagt. Danach erfolgte eine Öffnung unter strengen Hygienevorschriften (frühzeitiger Einsatz von FFP-2 Masken). Patient:innen erhielten vor dem geplanten Termin telefonische Information zu geltenden Hygienevorschriften. Es wurde darauf geachtet, dass möglichst nur eine Begleitperson im Behandlungszimmer zugegen war. Im Laufe der Monate Mai bis September konnte die Zahl der zu versorgenden Patient:innen, trotz der Einschränkungen, stabilisiert werden. Danach kam es aufgrund steigender Infektionszahlen  erneut zu häufigen Absagen. Mitarbeiter:innenbesprechungen führten wir im zunehmenden Maße per Video-Chat durch.

Behandlung im MZEB Braunschweig

„Die Probleme, die sich aus den besonderen Hygienevorschriften im Rahmen der Covid-19-Pademie ergaben, haben uns nach kreativen Möglichkeiten suchen lassen, um unsere Erreichbarkeit zu verbessern. Insbesondere von der Einführung der Telemedizin (...), werden unsere Patienten auch nach der Pandemie profitieren.“


Mitarbeierin im MZEB Braunschweig

Im Integrierten Gesundheitsdienst Neuerkerode (IGN) wurden Ärzt:innen vor Ort und die Hausärzt:innen aufgrund von Covid-Infektionen auf den Wohngruppen sehr stark in die Umsetzung der Hygienekonzepte und Testmaßnahmen in der Wohnen und Betreuen GmbH (WuB) einbezogen. So konnte die reguläre hausärztliche Versorgung in einigen Zeiten nur durch die Bereitstellung einer Notfallversorgung ermöglicht werden. Parallel entwickelte die WuB ein eigenes Hygiene- und Testkonzept, sodass die reguläre Arbeit des Gesundheitsdienstes nach und nach wieder aufgenommen werden konnte. Viele Kontakte, insbesondere im Psychologischen Dienst, liefen dabei über telefonische Beratungen. Wo immer es möglich war, arbeiteten unsere Mitarbeiter:innen im Homeoffice.

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