Symbolbild
Nicole Leamy präsentiert das Buch, das sie geschrieben hat.

Von Abschied und Aufbruch

Vor rund sieben Jahren verbringt Melanie Leamy viel Zeit im St.-Luke’s-Hospital in Dublin. Paul, ihr Ehemann und ihre große Liebe, leidet unter Prostatakrebs. Aufopferungsvoll begleitet Leamy ihren Mann zu den Terminen, umsorgt ihn, kämpft für ihn. Doch der Krebs ist zu stark. Am 15. Mai 2018 verstirbt Paul – im Beisein seiner Frau, die jeden Atemzug verfolgt. Ihm gut zuredet. Ihm sagt, dass es okay ist, loszulassen – auch wenn ihr dies schwerfällt. Viele Jahre wollten sie doch noch miteinander teilen. Aber sie weiß, dass es das Richtige ist, ihn gehen zu lassen. Nachdem sein letzter Atemzug verklungen ist, spürt Leamy großen Frieden in dem Krankenhauszimmer. Pauls letzter Weg war voller Leiden, doch nun hat er Frieden gefunden. Sie fasst einen Entschluss: Auch künftig will sie Sterbenden zur Seite stehen. Es ist ein Entschluss, den sie bis heute nicht bereut hat und der sie über einige Umwege bis in die spezialisierte ambulante palliative Versorgung (SAPV) der Diakoniestationen Harz-Heide in Braunschweig führt.

Ursprünglich kommt Leamy aus der Region um Braunschweig. Als sie 2009 an einem Seminar in ihrer damaligen Wahlheimat Marburg Paul kennenlernt, ist es schnell um die beiden geschehen. „Wir haben uns Hals über Kopf ineinander verliebt. Wir waren Seelenverwandte, Partner, beste Freunde“, erinnert sich Melanie Leamy. Es dauert nicht lange und sie zieht mit ihm nach Irland. Hier macht Leamy verschiedene Ausbildungen und eröffnet eine gut laufende Praxis für Körper- und Entspannungstherapie.

Das Bild zeigt Klippen im Meer in Irland.

Schon als beide sich kennenlernen, leidet Paul an Prostatakrebs. „Wir hatten schöne, unbeschwerte Jahre, in denen die Krankheit kaum eine Rolle gespielt hat“, erzählt Leamy. Doch nach einiger Zeit werden die Symptome stärker. Melanie Leamy pflegt ihren Paul, begleitet ihn ins Krankenhaus, erweitert die Therapie zuhause um ihre ganzheitlichen Methoden. Doch irgendwann kann auch die Chemotherapie nicht mehr helfen und Paul verstirbt. Über ihre Erfahrungen hat Melanie Leamy das Buch „Wenn Liebe loslassen bedeutet“ geschrieben.

Diese Zeit beeinflusst ihr Leben nachhaltig: Nach Pauls Tod lässt sie sich in England zur Doula für Sterbe- und Trauerbegleitung ausbilden. „Bei unseren Besuchen im Krankenhaus wurde mir bald klar, dass ich den Menschen hier helfen möchte – nicht nur meinem Mann, sondern allen“, sagt sie.

"Bei unseren Besuchen im Krankenhaus wurde mir bald klar, dass ich den Menschen hier helfen möchte – nicht nur meinem Mann, sondern allen."

Genau das tut sie bei der SAPV – sie hilft sterbenskranken Menschen und ihren Angehörigen. Doch in die SAPV findet sie über einen kleinen Umweg. Beim Peiner Hospiztag 2022  – mittlerweile lebt Leamy wieder in Deutschland – hört sie einen Vortrag über assistierten Suizid von Dr. Rainer Prönneke, Palliativmediziner und Chefarzt im Braunschweiger Krankenhaus Marienstift, das ebenso wie die Diakoniestationen Harz-Heide zur esn (Evangelischen Stiftung Neuerkerode) gehört. „Ich war von dem Vortrag begeistert und wusste direkt – unter diesem Mann möchte ich arbeiten“, erzählt Leamy. „Als wir uns dann unterhalten haben und ich von meinen Ausbildungen erzählt habe, meinte er: Genau das brauchen wir auf unserer Station!“ Einige Jahre arbeitet sie auf der Palliativstation des Marienstiftes. Nachdem Dr. Prönneke in den Ruhestand gegangen ist, arbeitet er weiterhin als Arzt für die SAPV.

2025 folgt sie ihm – nicht als Honorarkraft, sondern fest angestellt. Eine Stelle, die extra für sie und ihre Fähigkeiten geschaffen worden ist. Melanie Leamy erzählt: „Die SAPV ist ein unglaublich tolles Team. Ich habe mich noch nie an einem Arbeitsplatz so willkommen und mit meiner Arbeit wertgeschätzt gefühlt.“

"Ich habe mich noch nie an einem Arbeitsplatz so willkommen und mit meiner Arbeit wertgeschätzt gefühlt.“

Sie erweitert das Angebot der SAPV, wendet bei den Patient:innen Körper-, Entspannungs- und Aromatherapien an, betreut sie und ihre Angehörigen psychosozial. „Ich weiß aus eigener Erfahrung wie es ist, einen Angehörigen zu pflegen“, sagt sie. Die Therapieformen helfen den Patient:innen, zur Ruhe zu kommen, Ängste und Stress loszulassen. Ihre Fähigkeiten werden laut ihr durch ihre Sehbehinderung verstärkt. „Lange wollte ich das nicht zugeben“, erzählt sie. „Aber meine feinstoffliche Wahrnehmung ist ausgeprägter. Und ich bin durch visuelle Reize nicht abgelenkt.“ 

Manche Patienten seien sicher auch erleichtert, dass Leamy sie nicht sehen könne. „Viele sind von ihren Krankheiten gezeichnet und fühlen sich nicht mehr wohl mit ihrem Äußeren. Bei mir müssen sie sich keine Gedanken machen“, so Leamy.  Zu ihren Terminen fährt sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln, navigiert dabei mithilfe des DB Navigators sowie Google Maps. „Bei der SAPV, ob bei den Patienten oder im Team, spielt meine Sehbehinderung aber überhaupt keine Rolle mehr. Das ist ziemlich einzigartig.“

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