Pressetermin Opal

Auf dem Weg in die moderne Pflege

Entsteht dank digitaler Assistenzsysteme in der Altenhilfe mehr Zeit für eine optimale Versorgung der Bewohner bei hoher Arbeitsqualität der Pflegekräfte? Untersucht wird dies im Seniorenheim Haus St. Vinzenz, in dem alle Pflegebetten mit digitaler Sensortechnik ausgestattet sind.

Schätzungen gehen davon aus, dass sich der Anteil der pflegebedürftigen Personen bis zum Jahr 2060 in etwa verdoppeln wird. Demgegenüber steht heute schon bundesweit ein Mangel an examinierten Pflegefachkräften, der sich weiter verschärft. Die stetig zunehmenden administrativen Routinetätigkeiten, wie Kontroll- und Dokumentationsaufgaben, belasten die Mitarbeitenden und es steht immer weniger Zeit für den direkten Kontakt mit den pflegebedürftigen Menschen zur Verfügung. Auch in den vier stationären Altenhilfe-Einrichtungen der Evangelischen Stiftung Neuerkerode (ESN) sind diese Entwicklungen spürbar.

Wie kann es gelingen, diesen Trend zu brechen?

Können digitale Assistenzsysteme die Pflege und Versorgung in der stationären Altenhilfe verbessern und dadurch die Zufriedenheit und Lebensqualität der Betreuten erhöhen?Das ist die zentrale Frage des Forschungsprojektes OPAL – Optimierung der Pflege in der Altenhilfe durch Sensornetzwerke, für das Anfang April der Startschuss gefallen ist. Durch das Projekt finden Altenpflege, sozialwissenschaftliche Forschung und innovative Technologie zueinander.Die ESN führt dieses in Kooperation mit der Leibniz Universität Hannover und der Ostfalia Hochschule Wolfsburg durch. Das auf zwei Jahre angelegte Projekt wird mit 472.703 Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds im Programm „Soziale Innovationen“ des Landes Niedersachsen gefördert.

Ein Senior liegt in einem digitalen Pflegebett
Eine Pflegekraft überprüft am Display die Einstellungen des digitalen Pflegebetts

Für das Projekt im Seniorenheim Haus St. Vinzenz in Braunschweig sind alle 97 Pflegebetten mit digitaler Sensortechnik ausgestattet.

OPAL erforscht, ob folgende Ziele mithilfe einer partizipativen Einführung digitaler Assistenzsysteme erreicht werden können:

  • die Verbesserung der Pflege in Bezug auf drei zentrale Qualitätskriterien (Dekubitus, Sturz und ungewollter Gewichtsverlust) – und damit verbunden die Zufriedenheit und Lebensqualität der Bewohner sowie
  • die Erhöhung der Arbeitseffektivität und Zufriedenheit des Pflegepersonals.

Im Seniorenheim Haus St. Vinzenz in Braunschweig wird beispielsweise mithilfe einer geeichten Waage das Gewicht von Bewohnern erfasst und automatisch in die Pflegedokumentationssoftware übertragen. Neben der Entlastung des Pflegepersonals von Dokumentationsaufgaben entfällt damit auch der zeitaufwendige und kräfteraubende Transport einer bettlägerigen Person in eine Sitzwaage. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie digitale Assistenzsysteme und Sensordaten die individuelle Versorgung pflegebedürftiger Menschen ermöglichen und damit die Qualität der Pflege sichern und sogar erhöhen können.


Das Projekt zielt insbesondere darauf ab, das Wissen und die Fähigkeiten von Mitarbeitenden und Bewohnern möglichst intensiv in den Prozess der Einführung und der Konfiguration der Assistenzsysteme einzubeziehen, um damit einen größtmöglichen Mehrwert für alle Betroffenen zu schaffen. Der Einsatz digitaler Assistenzsysteme in der Pflege soll keinesfalls die Betreuung durch Pflegekräfte ersetzen. Vielmehr sollen die Assistenzsysteme das Personal im Arbeitsalltag optimal unterstützen. Noch liegen keine Ergebnisse vor, bei positiver Evaluation sind die Resultate jedoch bundesweit übertragbar und geeignet für eine Überführung in die Regelversorgung.

Dr. Jannis Hergesell ist Techniksoziologe und forscht an der Leibniz Universität Hannover zu Mensch-Technik-Interaktionen in digitalisierten Arbeitswelten und partizipativer Technikgestaltung. Im soziologischen Teilprojekt von OPAL untersucht er die Auswirkungen der Sensorbetten auf die Arbeitsorganisation der Pflegenden und die Versorgungsqualität. Zusätzlich koordiniert er in partizipativen Workshops die Interessen der an OPAL beteiligten Akteure.

"Für uns Soziologen bietet OPAL die spannende Chance, die Einführung von digitaler Technologie in der Pflege im Regelbetrieb zu untersuchen."

Das sei einerseits interessant, weil  so ganz deutlich erforscht werden könne, welche konkreten Änderungen der digitale Transformationsprozess in der Pflegepraxis tatsächlich bewirkt. Andererseits, weil OPAL ein sehr dynamisches und vor allem partizipativ gestaltetes Projekt ist – sozusagen alle Stimmen gehört werden. "Die Digitalisierung der Pflege wird nicht als Selbstzweck betrieben, sondern trägt wirklich zu einer Verbesserung der Arbeits- und Versorgungsqualität bei. Solch eine Verbindung von Grundlagen- und Anwendungsforschung kommt nicht oft vor und deswegen freuen wir uns sehr, Teil von OPAL zu sein."

Prof. Dr. Martina Hasseler beschäftigt sich an der Ostfalia Hochschule in Wolfsburg unter anderem mit Qualität und Digitalisierung in Pflege und Gesundheit. Sie begleitet das Projekt im Hinblick auf die Pflegequalität aus Bewohnerperspektive und die Auswirkungen auf Pflegestandards durch die Nutzung von Sensordaten:
"Die Digitalisierung hält zunehmend Einzug in die pflegerische Versorgung. Dabei stellen sich die Fragen, ob und wie diese neuen Technologien die pflegerischen Prozesse und die Qualität positiv unterstützen und beeinflussen; und wie bspw. pflegebedürftige Menschen diese aufnehmen und bewerten. Das Projekt OPAL ermöglicht, dies aus pflege- und gesundheitswissenschaftlicher Perspektive zu untersuchen, damit die Einführung von neuen Technologien sinnvoll für Pflegebedürftige und Pflegefachpersonen erfolgen kann."

Autorin: Katharina Heinemeier

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