Der geheimnisvolle Vogel

Ein Feuerwerk der Vielfalt

Das Theater Endlich feiert in „Ich bin ananas als Du!“ das Anderssein – und weiht die neue Spielstätte „Bühne im Quartier“ in Braunschweig ein.

Es gibt sie noch, die Momente, die auch erfahrene Theaterbesucher:innen noch nicht gesehen haben. Zu diesen Momenten zählt sicherlich eine Gruppe Äpfel mit Kulleraugen, die in einer frankensteinesken Gruselgeschichte vor einem Handpuppenmonster zittern, das von einer anderen Handpuppe erschaffen wurde. Genau das passiert in dem aktuellen Stück des Theater Endlichs, der inklusiven Theatergruppe der Evangelischen Stiftung Neuerkerode, das am Freitag Premiere feierte. Es ist nur eine von vielen Szenen, die an Abwechslung sowohl inhaltlich als auch in ihrer Form kaum zu überbieten sind. „Ich bin ananas als Du!“ ist ein Stück, das sich auf vielfältige und persönliche Art und Weise dem Thema Diversität mit all seinen Facetten annähert.

Frankenstein mit Äpfeln

Dabei wurde am Freitag gleich doppelt Premiere gefeiert: Mit der Aufführung der „Endlichs“ wurde auch die „Bühne im Quartier“ eingeweiht – zumindest die Kleinere, da die Große noch nicht fertig ist. „Noch handelt es sich um ein Provisorium – aber ein Provisorium, das sich sehen lassen kann“, kündigte Regisseur Martin von Hoyningen Huene an.

Ein glitzernder Showmaster

Wie bringt man jedoch ein Thema, das so abwechslungsreich wie die Andersartigkeit ist, auf die Bühne? Hierzu wählen die Endlichs erneut die Form der Collage. Die Szenen, die unterschiedlicher kaum sein könnten, werden dabei verknüpft durch Helge Schuberth, der als Showmaster im roten Glitzerfrack durch den Abend führt, und durch das Wiederaufgreifen vergangener Szenen in abgewandelter Form zu einem späteren Zeitpunkt.

Glitzerfrack

Unterstrichen wird die inhaltliche Vielfalt durch die Wahl unterschiedlichster Mittel. Die zwölf Endlichs, von denen manche schon seit 25 Jahren auf der Bühne stehen, während andere mit der aktuellen Inszenierung ihre ersten Theatererfahrungen machen, haben Gastkünstler:innen eingeladen, mit denen die Szenen erarbeitet werden.

Jede:r ist einzigartig

Zunächst betreten alle Spieler:innen die Bühne in weißen Kostümen. Trotz ihrer ähnlichen Aufmachung unterscheiden sie sich stark voneinander, in Größe, Statur, Bewegung und auch die Stimmen, die „Ich bin anders“ rufen, sind unverkennbar individuell. Das geht solange gut bis einer aus dem Muster ausbricht und meint: „Ich bin Ananas!“ – zum Frust der anderen Spieler:innen: „Toll, jetzt können wir wieder von vorne anfangen…“

Ich bin Ananas!

Doch die Szene wird nicht wiederholt, es geht direkt mit dem nächsten Bild weiter und die Zuschauenden befinden sich plötzlich mitten im Stück. Danny Gmerek trägt Gedicht vor, bevor Jenny Wachowsky als geheimnisvoller Vogel, gekleidet in ein buntes Kostüm, das die weißen Einheitskostüme ebenso wie der rote Glitzerfrack konterkariert, die Bühne betritt.

Fotos, Zeichnungen und Musik

In der Szene „Ein fast fertiger Mensch“, entwickelt von Thomas Hoops mit Anna Loeser, Marcel Seitz und dem Ensemble, werden zunächst Fotos und dann Zeichnungen gezeigt, dazu Satzausschnitte in Loops, unterlegt von Beats, die zu einer Art Techno-Remix werden, bis kaum noch jemand die Füße stillhalten kann – auf der Bühne ebenso wie davor.

Ein fast fertiger Mensch

Als wäre das nicht schon genug Material, um einen Theaterabend zu füllen, wird das Theater Endlich nicht müde, immer neue Formen des Geschichtenerzählens auf die Bühne zu bringen. Jelena Bernhofen entwickelte mit Carlo Malkus und Holger Denecke eine Ode an ihren besten Freund Holger, festgehalten als spannende und lustige Spionage-Foto-Story. Mit schaurigem Figurentheater, dem pantomimischen Verpacken von Geschenken und einer berührenden, intimen Tanzperformance, werden Fragen von Andersartigkeit und Gleichheit verhandelt. Ich bin anders. Aber anders als wer? Und wenn wir alle anders sind, sind wir dann nicht gleich?

Tanz

Neben herzerwärmenden Momenten wird das Publikum immer wieder zum herzlichen Lachen gebracht, um ihm dann in der nächsten Szene die Tränen in die Augen zu treiben. So beispielsweise in der Videoperformance, die Holger Denecke mit Oliver Schirmer erarbeitet hat. In dem großartigen Video vermischt sich Kafkas „Die Verwandlung“ mit schmerzhaften, extrem persönlichen Erfahrungen des Andersseins von Holger Denecke selbst, der zum Ende des Videos selbst in ein weißes Laken gehüllt über die Bühne kriecht. Ein starker Theatermoment.

Holger Denecke Die Verwalndlung

Die Zusammenarbeit der Endlichs mit den Gastkünstlern bringt die Vielfalt, die jedem Menschen innewohnt, abwechslungsreich auf die Bühne. Zwischen der ersten Szene und dem großen Finale finden sich noch einige großartige Szenen mehr, die sich kaum in Worte fassen lassen. Am besten ist es, man macht sich selbst ein Bild.

Fotos: Oliver Schirmer/Faktotum

Anmeldung / Infos /Kontakt

Die Vorstellungen am 22. und 23. Februar sind bereits ausverkauft. Tickets für den 24. Februar finden Sie hier.

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