Produzentenstolz: Ein Blick Hinter die Kulissen des Sommerfest

Bürger:innen aus dem inklusiven Dorf stellen vor, welche Verkaufsartikel sie in den Werk- und Tagesförderstätten, aber auch in kleinen Arbeitsgruppen für das Sommerfest produzieren.Sie berichten davon, was ihnen an der Arbeit Spaß, was sie stolz macht und welche Botschaft sie damit verbinden.

Die errichteten Zelte und Holzbuden rund um den Dorfplatz kündigen optisch das an, was in Neuerkerode seit vielen Tagen bereits in aller Munde ist: In wenigen Tagen startet das Neuerkeröder Sommerfest. Nach zwei Jahren coronabedingter Absagen und digitaler Ersatzangebote ist die Vorfreude auf das erste richtige Fest bei Bürger:innen, Mitarbeitenden und Angehörigen riesig.

Anders als die dörfliche Mund-zu-Mund-Propaganda oder der sichtbare Budenaufbau wenige Tage vor der Veranstaltung nimmt das Sommerfest in den Werk- und Tagesförderstätten der Neuerkeröder Wohnen und Betreuen GmbH und der Mehrwerk gGmbH dagegen bereits im Winter und Frühjahr Gestalt an und zwar in Form vieler Verkaufsartikel, die für diesen Anlass hergestellt werden. Dabei stehen produktions- und betriebswirtschaftliche Interessen nicht im Vordergrund, wobei natürlich auf eine kostendeckende Finanzierung geachtet wird, vielmehr werden den Teilnehmenden in den Projekten attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten geboten.

Gemeinsam mit den Fachanleiter:innen überlegen sich Teilnehmende kreative Handwerksartikel oder unzählige Gemüsesorten, Zierpflanzen und Kräuter, die in der Gärtnerei für diesen Tag hochgezogen und geerntet werden. Eine wichtige Rolle spielen das Upcycling, die Umwandlung vermeintlicher Abfallstoffe in neuwertige Produkte, und der Einsatz nachhaltiger Materialien. Und auch die Aufzucht der Pflanzen in der Gärtnerei beruht auf einem traditionellen, ökologischen Konzept.

Mit Verkauf des letzten Weihnachtssterns beginnt die Vorbereitung auf das Sommerfest


Wenn der letzte Weihnachtsstern verkauft ist, beginnt für Peter Marchetti und Melanie Sturm im Prinzip schon das Sommerfest. Beide arbeiten in der Tagesförderung (TGF) Natur und Umwelt und sind zu Anfang des neuen Jahres in den Gewächshäusern und im späten Frühjahr auf den Feldern zu finden. Bis zum Sommerfest müssen sie mit ihren Mitbeschäftigten ein großes Pensum erledigen: Die Beete und Bewässerungsanlagen werden hergerichtet, Samen werden eingepflanzt, Stecklinge gezogen und eingetopft, Unkraut wird gejätet, natürlicher Dünger für Gemüse, Pflanze und Co. ausgebracht. Und wenn die Pflanzen soweit sind, geht es daran, sie zu für den Verkauf vorzubereiten – ein Großteil wird auf dem Sommerfest verkauft. „Wir freuen uns, wenn die Besucher auf dem Sommerfest unsere Pflanzen kaufen und sehen, mit welchem Einsatz und welcher Hingabe wir hier arbeiten“, sagt Peter Marchetti. Und für seine Kollegin Melanie Sturm „ist es einfach schön zu sehen, was vom kleinen Samenkorn bis zur fertigen blühenden Pflanze durch unsere Arbeit entsteht und dass die Menschen Freude daran haben.“

Peter Marchetti und Melanie Sturm
Jennifer Bethmann
Christian Könnemann

An ihrem Arbeitsplatz im Secondhand-Kleiderladen „Zweite Liebe“, der zur Mehrwerk gGmbH gehört, fühlt sich Teilnehmerin Jennifer Bethmann richtig wohl. Jeden Montag ist sie an Schneidetisch und Nähmaschine aktiv. Aus alten, ausgedienten Stoffen stellt sie dann neue Gebrauchsartikel her – in den letzten Wochen vermehrt für das Sommerfest. Haargummis aus Krawatten sind entstanden, Kopftücher oder kleine Täschchen. Heute werden Kulturbeutel aus alten Tischtüchern gefertigt.

Mit Schablone und Stift markiert sie die Schnittstellen am Stoff und bringt sie mit der Schere in Form. Zuletzt geht es an die Nähmaschine. Hier erhält sie noch Anweisungen von ihrer Fachanleiterin Ann-Christin Röllmann und dann wird aus mehreren Stoffstücken ein neuer (Mode)-Artikel. Jennifer Bethmann strahlt. Sie ist glücklich über den gelungenen Arbeitsschritt und einen von ihr neu geschaffenen Upcycling-Kulturbeutel. „Mir macht die kreative Arbeit hier sehr viel Spaß. So sehr sogar, dass ich auch zu Hause viel nähe. Dass ich etwas mit meiner Arbeit zum Sommerfest beitragen kann, finde ich toll. Obwohl ich an den Stücken hänge, hoffe ich, dass wir viele verkaufen können.“

Ausgediente Werkstoffe bekommen neue Leben

Manuel Gaunitz, Christian Könnemann, Uwe Beregus, Karina Eßmann und Gerd Hoormann hängen nicht nur an ihren selbstgefertigten Artikeln, sie sitzen auch darauf – zumindest probeweise. Sie sind Teil eines Projekts für ehrenamtliche Bürger:innen in der Freizeitpädagogik der Wohnen und Betreuen. Einmal die Woche treffen sie sich im Zoarkeller und verarbeiten Eichen- und Fichtenhölzer zu Steckstühlen, Essbrettchen oder Dekoartikeln, die auf den Neuerkeröder Festen reißenden Absatz finden. Unter Anleitung von Mitarbeiter Thomas Pawletko wird gesägt, geschliffen, geölt, geschraubt und nebenbei ganz viel geplaudert. Von Januar bis Juni schaffen sie zirka 50 Steckstühle.

Dabei gibt es kein festes Produktionsziel, es wird vornehmlich kostendeckend gearbeitet. Schließlich geht es hier um gemeinsamen Spaß – in der Gruppe und am Hobby. Alle haben ihre festen Stationen: Karina Eßmann und Uwe Beregus schleifen und ölen, Manuel Gaunitz, Christian Könnemann und Gerd Hoormann sind für Schleif- und Sägearbeiten zuständig. „Wir machen hier echte Handarbeit und freuen uns, wenn das honoriert wird, indem unsere Stühle gekauft werden. Und wenn das Sommerfest oder der Weihnachtsmarkt vorbei ist, machen wir immer einen kleinen Ausflug oder gehen Essen. Das ist ein toller Abschluss und für uns ein toller Lohn für die getane Arbeit“, erzählt die Gruppe.

Marcus Eckhoff, Geschäftsführer Neuerkeröder Wohnen und Betreuen GmbH:

„Endlich wieder…! So beginnen in letzter Zeit viele Gespräche mit und zwischen Neuerkeröder Bürgerinnen und Bürgern, die voller Vorfreude, Erleichterung und Unbeschwertheit auf zurückgewonnene Aktivitäten und Veranstaltungen blicken. Endlich wieder ein richtiges Sommerfest, ohne Corona-Beschränkungen und digitale Ersatzangebote. Mit vielen Begegnungen von Bürgerinnen und Bürgern, Angehörigen und Freunden, mit Musik, Unterhaltung, leckerem Essen und handgemachten Produkten, die zum Teil von den Neuerkerödern mit gefertigt wurden. Die Bedeutung dieses Festes für die Region und Neuerkerode hat sich nach den Ausfällen in den vergangenen zwei Jahren umso deutlicher gezeigt. Ich freue mich gemeinsam mit allen Besucherinnen und Besuchern darauf, endlich wieder ein großes Fest zu feiern.“ 

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