Im Haus der helfenden Hände in Beienrode kümmert sich Edeltraut Bußmann liebevoll um ihre gefiederten Freund:innen.
Jeden Morgen, nachdem Edeltraut Bußmann aufgestanden ist und gefrühstückt hat, muss sie nicht lange überlegen, wohin es als nächstes geht: Mit einer Tüte voller Körner, die an ihrem Rollator hängt, macht sie sich auf den Weg in den Hof des Ritterguts Beienrode. Genauer gesagt zu dem kleinen Stall, der sich hier befindet. Ist sie in Sichtweite, kommt Leben in die Bude: Die vier Hühner, die hier wohnen, erkennen Bußmann und laufen aufgeregt zur Tür. Sie wissen: Jetzt gibt es Futter. „Ich habe nicht nur Körner dabei, sondern auch das ein oder andere Stückchen Brot, das beim Frühstück übriggeblieben ist“, erzählt sie. „Und manchmal auch Wurst oder Käse. Das ist für sie das Größte.“ Dann öffnet sie das Gatter. Bis zum Abend haben die Vögel nun Ausgang, können nach Herzenslust im Hof umherlaufen und scharren. „Ihnen dabei zuzusehen macht wirklich Spaß“, sagt Bußmann. „Mir bereitet die Arbeit mit den Hühnern viel Freude.“
Geboren wurde die 87-Jährige in Berlin. „Die Landwirtschaft war mir also nicht in die Wiege gelegt“, berichtet sie. Doch als Edeltraut Bußmann als junge Frau eine Hauswirtschaftslehre auf einem Bauernhof macht, lernt sie den Umgang mit Tieren – und kann fortan kaum noch ohne sie. Im Laufe ihres Lebens hat sie unter anderem Wellensittiche, Kanarienvögel und einen Rauhaardackel bei sich zuhause aufgenommen.
Doch im Alter wird ihr das Haus mit Garten in Königslutter, in dem sie zuletzt lebte, zu groß. „Für mich alleine war das nicht mehr zu schaffen“, sagt Bußmann. Der Umzug ins Haus der helfenden Hände erfolgt Mitte 2022 und fällt ihr nicht schwer. „Ich habe schon lange gewusst, dass es mir hier gefallen würde. Der Park, die Natur, die Freiheit. Und natürlich auch die Tiere“, freut sich Bußmann. „Ich habe die Entscheidung für diese Einrichtung noch keinen Tag bereut.“
„Ich habe schon lange gewusst, dass es mir hier gefallen würde. Der Park, die Natur, die Freiheit. Und natürlich auch die Tiere.“
Gerne besucht sie im Hof Alf, den Hund des Hausmeisters, die Hängebauchschweine Schnitzel und Kotelett im Park oder die Schafe. Besonders ins Herz geschlossen hat sie aber die Hühner. „Sobald sie mich sehen, laufen sie mir entgegen und dann hinterher“, berichtet die 87-Jährige. „Es ist schön zu sehen, dass sie an mir hängen. Und ich hänge auch an ihnen.“
Die Arbeit macht ihr nicht nur Freude, sondern hält Edeltraut Bußmann auch fit und strukturiert ihren Tag. Sie öffnet den Tieren jeden Morgen das Tor, säubert das Gehege, füllt Wasser und Futter auf, sammelt Eier ein und sorgt dafür, dass sie abends wieder in ihrem Stall sind.
Sie genießt es die Hühner zu füttern und zu streicheln, doch auch das bloße Beobachten versüßt ihr die Zeit. „Jedes Huhn hat seinen eigenen Charakter. Manche sind robuster, andere eher anhänglich oder schüchtern. Zeit mit ihnen zu verbringen, erleichtert mein Gemüt.“
„Jedes Huhn hat seinen eigenen Charakter. Manche sind robuster, andere eher anhänglich oder schüchtern."
Auf ihre Hühner lässt Edeltraut Bußmann nichts kommen. So verteidigte sie diese auch schon vor einem Hund, der sie im Hof jagte und immer wieder nach ihnen schnappte – und das mit vollem Körpereinsatz. „Als ich mich schnell bückte, um den Hund zu verscheuchen, bin ich auf meinen Arm gefallen“, sagt die 87-Jährige. Der Ellbogen ist gebrochen. Doch den Hund konnte sie mit Hilfe ihrer Cousine vertreiben. Edeltraut Bußmann sagt: „Den Hühnern ist zum Glück nichts passiert – auch wenn die Armen echt Angst hatten.“
Im Gegenzug für ihre Fürsorge erhält die Seniorin immer wieder Eier, die sie den Hühnern „stibitzt“. Ob die besser schmecken als die gekauften? „Einbilden kann man sich vieles“, sagt Bußmann und lacht. Und viel wichtiger als die Eier ist ihr ohnehin die Zeit mit den Hühnern selbst.