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Sucht und seelische Gesundheit

Vom 10. bis 20. Oktober findet die Aktionswoche für seelische Gesundheit statt. Fabienne Lohmann und Steffen Schreiber vom Lukas-Werk erklären, wie seelische Gesundheit udn Sucht zusammenhängen können.

Die Fachambulanz Sucht in Wolfenbüttel beteiligt sich an der diesjährigen "Woche der seelischen Gesundheit" und lädt im Tagestreff Café Clara herzlich zu einer offenen Gesprächsrunde ein. Das Angebot richtet sich an Interessierte, die sich mit dem Thema Sucht auseinandersetzen wollen. Vor Ort werden Fabienne Lohmann, Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin aus der Fachambulanz Sucht Wolfenbüttel, und ihr Kollege Steffen Schreiber, Sozialarbeiter/ Sozialpädagoge, als Expert:innen für Fragen zur Verfügung stehen. Im Interview erläutern die beiden unter anderem, welche Rolle die seelische Gesundheit bei der Entstehung von Suchtverhalten spielt.

Interview Seelische Gesundheit und Sucht Lukas-Werk

Ein offenes Gesprächsangebot für Interessierte im Café Clara? Warum haben Sie eine solche Runde im Rahmen der Woche der seelischen Gesundheit initiiert?
Seelische Erkrankungen und Suchtverhalten sind häufig eng miteinander verknüpft. Zwei Themen, bei denen wir immer wieder bemerken, dass sie sehr schambehaftet sind. Mit der Veranstaltung möchten wir einen sicheren Raum bieten, um Fragen zu stellen, Erfahrungen auszutauschen, Informationen zu erhalten und ein Kennenlernen der Suchthilfe zu ermöglichen.

Das Café Clara ist ein niederschwelliges Angebot der Suchthilfe. Das offene Gesprächsangebot ist bewusst auf diese Örtlichkeit gelegt, da die niederschwellige Arbeit zum Teil noch negativ belastet ist. Das Angebot soll die Chance bieten auch diese Form der Suchthilfe kennenzulernen und mögliche bestehende Berührungsängste zu minimieren. Des Weiteren bietet das Café Clara einen gemütlichen und geschützten Rahmen für die Veranstaltung. 

"Seelische Erkrankungen und Suchtverhalten sind häufig eng miteinander verknüpft."

Wie beeinflusst Sucht das seelische Wohlbefinden der Betroffenen und ihrer Angehörigen?
Das seelische Wohlbefinden sowohl der Betroffenen als auch ihrer Angehörigen kann stark leiden. Dennoch ist es sehr unterschiedlich und individuell. Betroffene arrangieren sich zum Teil mit ihrer Situation und sind zufrieden, andere hingegen belastet es stark. Häufig wird das Suchtmittel genutzt um etwas Negatives zu betäuben. Manchen Personen gelingt dies, indem sie das Suchtmittel in ihren Alltag integrieren und ihre negativen Gedanken oder Gefühle verdrängen. Andere wiederum sind mit ihrer Situation unzufrieden und es wirkt sich auf ihr seelisches Wohlbefinden aus. Auch die aktuelle Situation der Betroffenen trägt häufig dazu bei inwieweit sie belastet sind. Darunter zählt beispielsweise ein geregelter Tagesablauf, die Zufriedenheit am Arbeitsplatz, soziale Kontakte, Hobbys oder auch Einsamkeit und soziale Isolation.

Auch bei Angehörigen sind die Reaktionen sehr individuell. Hier gibt es Personen die Wut und Abneigung empfinden oder aber auch Mitleid und Fürsorge. Es besteht die Gefahr für Angehörige in eine Co-Abhängigkeit zu geraten, wodurch das seelische Wohlbefinden gleichermaßen in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Themen wie Scham, Sorgen, Ängste und Unsicherheiten können hier eine große Rolle spielen. 

“Es besteht die Gefahr für Angehörige in eine Co-Abhängigkeit zu geraten, wodurch das seelische Wohlbefinden gleichermaßen in Mitleidenschaft gezogen werden kann.”

Welche psychischen Erkrankungen treten häufig in Verbindung mit Suchtverhalten auf, und wie können diese zusammen behandelt werden?
Nicht jeder Mensch mit einer Suchterkrankung entwickelt eine psychische Erkrankung und auch nicht jeder Mensch mit einer psychischen Erkrankung entwickelt eine Suchterkrankung. Dennoch ist es recht häufig, dass zeitgleich zu einer Suchterkrankung eine andere psychische Belastung oder Erkrankung besteht. Dabei gibt es viele psychische Erkrankungen die in Verbindung mit dem Suchtverhalten stehen können unter anderem wären das beispielsweise Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen, Psychosen, Angststörungen oder auch unterschiedliche Persönlichkeitsstörungen.

Bei der Kombination aus psychischer Erkrankung und Suchterkrankung wird auch von Doppeldiagnose gesprochen. Beide Erkrankungen können sich gegenseitig beeinflussen. Daher ist es für die Betroffenen wichtig, dass die Behandlung speziell darauf ausgerichtet ist. Wird nur die Abhängigkeitserkrankung behandelt, ohne die psychische Erkrankung zu behandeln, sind die Erfolgsaussichten verschlechtert und das Rückfallrisiko erhöht. 

"Beide Erkrankungen können sich gegenseitig beeinflussen."

Inwiefern spielt die seelische Gesundheit eine Rolle bei der Entstehung von Suchtverhalten? Gibt es bestimmte Risikofaktoren?
Manche Betroffene konsumieren Suchtmittel, um seelische Beschwerden und Belastungen abzumildern. Diese Verhaltensweise kann als eine Art Selbstmedikation bezeichnet werden. Insbesondere durch dämpfende Mittel fühlen sich Betroffene teilweise vorübergehend besser, Ängste, Gefühle oder auch negative Erlebnisse werden jedoch nur verdrängt. Auf lange Sicht verschlimmert sich das seelische Wohlbefinden. Es kommt schnell zu einer Gewöhnung an das Suchtmittel, wodurch die gewünschte Wirkung nur noch durch erhöhten Suchtmittelkonsum erreicht werden kann.

Risikofaktoren können unter anderem soziale Isolation, allgemeine Unzufriedenheit, Verdrängung von Problemen, Überlastung und Unterforderung, Traumata sowie familiäre, persönliche oder arbeitsbezogene Problematiken sein. 

"Manche Betroffene konsumieren Suchtmittel, um seelische Beschwerden und Belastungen abzumildern."

Was sind Anzeichen dafür, dass jemand möglicherweise sowohl an einer Sucht als auch an Problemen mit der seelischen Gesundheit leidet?
Sowohl eine Sucht als auch Probleme mit der seelischen Gesundheit sind für Außenstehende oftmals schwer zu erkennen. Betroffene neigen oft dazu Schwierigkeiten zu verschweigen und Anzeichen zu verstecken. Indizien könnten dennoch generelle Veränderungen in der Persönlichkeit, Stimmungsschwankungen, abweisendes und ausweichendes Verhalten, zunehmendes Desinteresse, Vereinsamung, Abgrenzung von Personen und Interessen sowie die Verharmlosung von Situationen sein. 

"Sowohl eine Sucht als auch Probleme mit der seelischen Gesundheit sind für Außenstehende oftmals schwer zu erkennen."

Warum können Menschen durch den Austausch über ihre Erfahrungen mit Sucht und seelischer Gesundheit profitieren können?
Das Thema Sucht betrifft viele Menschen, sei es als Betroffene/r oder als Angehörige/r. Trotz dessen, das es als Erkrankung anerkannt ist, besteht bis heute teilweise noch eine Stigmatisierung. Ein Austausch mit anderen und das Teilen von Erfahrungen kann Stigmata brechen, und die Sicht darauf verändern. Es kann dazu führen, dass Betroffene und Angehörige sich nicht mehr alleine und weniger isoliert fühlen. Insbesondere durch das Teilen von Gefühlen und Gedanken, Ängsten und Sorgen kann eine Form der Entlastung entstehen, was befreiend sein kann und helfen kann Gefühle von Scham und Selbstvorwürfe abzubauen oder loszulassen. Andere können ebenfalls von dem Einbringen eigener Erfahrungen und Kompetenzen profitieren, in dem sie eventuell neue Perspektiven oder eine neue Orientierung für sich entwickeln. So kann voneinander gelernt und sich gegenseitig unterstützt werden. 

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