Was für ein Auftakt! Am vergangenen Samstag hat das erste ALL iN BEAT Festival in Neuerkerode bei Braunschweig stattgefunden und das inklusive Dorf war kaum wiederzuerkennen. Rund um den Dorfplatz ist ein funkelndes, glitzerndes und schillerndes Festivalgelände entstanden, das in dieser Form unvergleichlich war. Ob die Auftritte von Alli Neumann, Kasi, Dominik Hartz, Siggi, Emily Rose oder Hand in Hand oder das vielfältige Rahmenprogramm – ein Highlight jagte das nächste.

Einige Gäste konnten den Festivalstart kaum erwarten: Eine Gruppe Teenies, einige extra aus Dresden angereist, saßen schon ab 11 Uhr morgens vor dem bunten Bogen, der das Eingangstor zum Festivalgelände markierte, und warteten auf den Einlass um 14 Uhr. „Wir freuen uns besonders auf Kasi“, erzählten sie freudestrahlend – und verließen die erste Reihe vor der Bühne bis zu Kasis Auftritt um 21 Uhr nicht mehr. Auch bei den Neuerkeröder:innen stieg die Vorfreude in den Tagen vor dem Festival ins Unermessliche. „Das wird dieses Jahr richtig groß!“, freute sich Bürger Uwe, als die riesige Bühne aufgebaut wurde. „Größer als alles!“
“Das wird dieses Jahr richtig groß! Größer als alles!"
Uwe aus Neuerkerode
Und er sollte Recht behalten. Das Dorf sah wohl nie schöner als an diesem sonnigen Augusttag aus: Schon Monate zuvor wurde in den Werkstätten der Mehrwerk und der Tagesförderung Villa Luise gesägt, gehämmert und gemalt, um Dekorationen wie den Torbogen, die Wegweiser in Form von kunstvollen Türen oder die Kletterbank bis zum Festivaltag fertigzustellen. Der Schweiß der vergangenen Monate hat sich gelohnt: Das Festivalgelände strahlte mit den überwiegend jungen Besuchenden und den Neuerkeröder:innen um die Wette.

Ebenso inklusiv wie die Herstellung der Dekoration war auch das Rahmenprogramm des ersten ALL iN BEAT Festivals – und sorgte für ebenso große Begeisterung bei den rund 1000 Gästen. Die Workshop-Area, die vor dem Eingang zum Infield-Gelände lag und ohne Ticket besucht werden konnte, war schon kurz nach Festivalstart gut besucht. Hier gab es Glitzertattoos - angeboten von einem Team des dm-drogerie marktes -, Mode des Second-Hand-Ladens Zweite Liebe aus Neuerkerode, Merch des ALL iN BEAT Festivals und der Künstler:innen, es konnte Schmuck und Kopfschmuck gestaltet und Stofftaschen bedruckt werden – angeboten von Menschen mit und ohne Behinderung.

Auch auf dem Infield gab es ein Rahmenprogramm: In der Scheune konnte Karaoke gesungen oder an einem Body-Percussion-Workshop der Neuerkeröder Musikpädagogik teilgenommen werden. Außerdem wurde hier Kunst der Villa Luise ausgestellt. „Viele junge Leute kamen zwischen den Konzerten immer wieder in die Scheune, um die Bilder zu betrachten“, erzählt Sidney Köhler aus der Villa Luise. „Sie haben sich voll auf die Kunst eingelassen und viele Fragen gestellt. Das hat mich richtig begeistert!“

Mittelpunkt des ALL iN BEAT Festivals, das von der esn (Evangelische Stiftung Neuerkerode) gemeinsam mit undercover organisiert wurde, war der Dorfplatz. Hier wurde die Bühne von der inklusiven Band Hand in Hand aus Neuerkerode eröffnet. Mit einer energiegeladenen Performance legten sie die Messlatte für den Rest des Tages schon zu Beginn enorm hoch – und das Publikum ging mit ihnen „All in“. „Das war wirklich ein unfassbar toller Auftritt. Das hat so Spaß gemacht“, freute sich Sängerin Sian nach dem Konzert. Die Haltung der Band ist deutlich, in einem Song bringen sie es auf den Punkt: „Hier ist jeder Mensch es wert!“ Es sollte nicht das letzte Statement für Toleranz und gegen Diskriminierung dieses Festivals sein.

Denn auch Sängerin Emily Rose überzeugte mit ihrer starken Stimme und ihrer eindringlichen Botschaft. Mit zwei Tänzerinnen und einem Repertoire von eigenen und Coversongs sorgte sie für Stimmung – und hielt zudem ein Plädoyer für Toleranz.

Der nächste Act schien sich in Neuerkerode wie zuhause zu fühlen: Siggi kommt aus einem Dorf ganz in der Nähe. Obwohl seine Karriere steil nach oben geht, arbeitet er weiterhin als Krankenpfleger in einer Psychiatrie. Inklusion und Vielfalt sind Themen, die seinen Auftritt von Anfang bis Ende begleiteten: Ob für Vielfalt und Menschenrecht oder gegen Faschismus, toxische Männlichkeit und Queerfeindlichkeit – Siggis Haltung ist klar. „Neuerkerode, liebt, wen ihr wollt, wann ihr wollt und wie ihr wollt!“, rief er vor seinem Song „Jeden darfst du lieben“ ins Publikum. Nicht nur mit seinen Statements, sondern auch mit seinen Songs berührte der Beierstedter – und sorgte für viele Gänsehaut-Momente und rührte einige Festivalbesuchende zu Tränen.
„Neuerkerode, liebt, wen ihr wollt, wann ihr wollt und wie ihr wollt!“
Siggi

Während im Dorf langsam die Sonne unterging, heizte sich die Stimmung immer weiter auf: Mit mitreißenden Beats und funkigen Sounds brachte Dominik Hartz mit seiner Band den Dorfplatz zum Beben. Ob auf den Beinen, im Rollstuhl oder am Rollator: Dieser Auftritt brachte wirklich jede:n zum Tanzen.

Auch bei Kasi ging es weiter steil nach oben. Ob bei den schnellen Songs oder bei ruhigeren Tönen – vor allem in den ersten Reihen gab es kein Halten mehr. Der Stimmung und den Erwartungen wurde der junge Künstler mehr als gerecht: Mit krasser Lichtshow und der Unterstützung durch seinen Produzenten Antonius sowie einem Gitarristen feierte der Sänger auf der Bühne mindestens genauso wild wie sein Publikum – und fand zwischendurch die Zeit, sich gegen Faschismus zu positionieren.

Das fulminante Finale des ersten ALL iN BEAT Festivals bestritt Alli Neumann. Mit ihrer unfassbaren Bühnenpräsenz, der rauchigen Stimme und Songs über weibliche Selbstermächtigung und komplizierte Gefühle verzauberte sie Neuerkerode. Auch sie setzte mit einer Regenbogenflagge ein Zeichen für Vielfalt – ganz im Sinne des Festivals. „Es ist so toll, dass wir alle zusammen beim ersten ALL iN BEAT Festival sind“, rief sie ins Publikum. „Ich hoffe auf noch viele weitere, die wir gemeinsam feiern werden.“
„Es ist so toll, dass wir alle zusammen beim ersten ALL iN BEAT Festival sind. Ich hoffe auf noch viele weitere, die wir gemeinsam feiern werden.“
Alli Neumann

Neben dem mitreißenden Bühnen- und Rahmenprogramm fand sich immer wieder auch die Zeit, einander kennenzulernen. Ob bei einer Erbsensuppe, einem kühlen Getränk oder in der liebevoll dekorierten Chill-Out-Area: Auf dem gesamten Festivalgelände saßen immer wieder Menschen zusammen, die sich sonst wohl nie kennengelernt hätten – junge Menschen aus der Region, Menschen mit und ohne Behinderung, Neuerkeröder:innen und externe Gäste. Es war ein besonderer Tag, der noch lange nachhallen wird. Oder wie es Alli Neumann auf Instagram formulierte: „Inklusive Festivals auf die 1!“
