Von der Akutklinik in die ganztägig ambulante Reha

Für unsere Serie "Unterwegs mit..." haben wir Dr. Tuna Ucgun begleitet. Er ist Chefarzt und Leiter des Reha-Zentrums St. Leonhard in Braunschweig und begleitet und behandelt dort gemeinsam mit seinem Team Menschen mit psychosomatischen oder Abhängigkeitserkrankungen.

„Ich habe das Haus neun Monate lang nicht verlassen“, berichtet ihm eine Patientin bei der Aufnahme. Sie sitzt Dr. Tuna Ucgun gegenüber. „Wie macht sich Ihre Angst im Alltag bemerkbar?“, fragt er und die junge Frau berichtet von Herzrasen, Schwindelattacken, einem Rauschen in den Ohren und davon, dass alles ganz verschwommen wird, „wenn ich durch die Gänge im Supermarkt gehe.“ Ab heute will sie ihre Agoraphobie, eine Angststörung, bekämpfen. Heute wird die Patientin in der Tagesklinik für Psychosomatik aufgenommen. Sie wird sich in den nächsten Wochen mit sich selbst, ihrer Angst und den Ursachen dafür auseinandersetzen. Ganztägig ambulante Reha – das bedeutet, dass sie von Montag bis Freitag jeden Tag in die Tagesklinik kommen und Gruppen-, Einzeltherapien wahrnehmen wird. Die Abende und Wochenenden verbringt sie in ihrem gewohnten Umfeld und kann Erlerntes in kleine Schritten sofort anwenden.

Burnout, Phobien, Alkohol- oder Kokainabhängigkeit, Spielsucht und vielen anderen Erkrankungen

Das medizinische Aufnahmegespräch ist nur eine von vielen Aufgaben, die Dr. Tuna Ucgun als Chefarzt und Leitung hat. Er ist zuständig für zwei ambulante Reha-Tageskliniken, die das Lukas-Werk im Reha-Zentrum St. Leonhard in Braunschweig betreibt: die eine richtet sich an Menschen mit psychosomatischen Erkrankungen, die andere an Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen. „So unterschiedlich wie die Menschen sind, die bei uns Hilfe suchen, sind auch die Behandlungspläne. Jeder und jede bekommt einen individuellen Therapieplan“, berichtet Tuna Ucgun. In den Tageskliniken werden unter anderem leitende Angestellte betreut, die weit über ihre Grenzen hinaus gearbeitet haben, Frauen, die jahrelang nur an andere, nie aber an sich gedacht haben, Menschen, die massiv gemobbt wurden oder viele Jahre arbeitslos waren. Sie kommen mit Burnout, Phobien, Alkohol- oder Kokainabhängigkeit, Spielsucht und vielen anderen Erkrankungen.

Ganzheitlicher Ansatz

Dr. Tuna Ucgun macht sich von jedem und jeder ein ganzheitliches Bild. Dafür kommt er morgens in einer Besprechung mit seinem Team zusammen. „Kurz-Team heißt das bei uns“, erläutert der 37-Jährige. Dort bespricht er mit Physio-, Ergo- und Sporttherapeut:innen, mit Ernährungsberater:innen, Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen, Sucht- und Sozialtherapeut:innen die Fortschritte von Patient:innen, gemeinsam analysieren sie auch Misserfolge und zwanghaftes Verhalten, Dr. Tuna Ucgun gibt Empfehlungen zum Umgang mit einzelnen Patient:innen und bespricht Einzelheiten für bevorstehende Entlassungen.

Dr. Tuna Ucgun, Chefarzt und Leitung im Reha-Zentrum St. Leonhard in einer Besprechung mit Kolleg:innen

Als Chefarzt und Leitung ist Ucgun zu etwa 50 Prozent praktisch im Einsatz. „Das sind Erstgespräche mit neuen Patient:innen, einmal die Woche steht eine regelmäßige Visite an, ich mache körperliche und neurologische Untersuchungen, Blutabnahmen, EKG und ähnliches.“ Darüber hinaus steht er als erster Ansprechpartner im medizinischen Bereich mit einer ärztlichen Sprechstunde zur Verfügung. „Da kläre ich beispielsweise, ob die Medikamente die gewünschte Wirkung erzielen, ob Nebenwirkungen auftreten oder körperliche Beschwerden vorhanden sind.“

Beruflicher Wechsel nach zehn Jahren

Die übrigen 50 Prozent seiner Arbeitszeit machen organisatorische und Verwaltungstätigkeiten aus. Dokumentations-, Entwicklungs- und Entlassberichte, Leistungs- und Kostenabrechnungen, Personalplanung, Indikationspläne, kurzfristige Ausfälle und Ähnliches. Ucgun kam im Juli 2022 als Leitender Oberarzt in die beiden Braunschweiger Reha-Tageskliniken des Lukas-Werkes und wechselte nun in die Chefarzt und Leitungsposition. „Davor habe ich zehn Jahre in einer psychiatrischen Akutklinik gearbeitet“, berichtet er.

Ausschlaggebend für den beruflichen Wechsel war eine familiäre Veränderung. „Im vergangenen Jahr bin ich Vater geworden.“ In der Akutklinik schob er viele Überstunden, musste Nacht- und Bereitschaftsdienste übernehmen. „Dazu oft unvorhersehbare Krisensituationen von Patient:innen. Das alles ist wenig planbar und schwer vereinbar mit einer Familie.“ Den Wechsel zum Lukas-Werk hat Ucgun nicht bereut. Im Gegenteil: er sei beeindruckt wie gut in den Tageskliniken des Reha-Zentrums St. Leonhard verschiedene Fachdisziplinen Hand in Hand miteinander agieren und den Patient:innen dadurch eine ganzheitliche Behandlung zugutekomme. Im Mittelpunkt stehe, dass „wir gemeinsam mit den Rehabilitand:innen daran arbeiten, erlernte Techniken dauerhaft umzusetzen. Es geht darum, die Rückkehr in das Berufsleben zu schaffen und sich privat gut aufzustellen.“

Im Rahmen der Therapie beleuchten Ucgun und sein Team gemeinsam, mit den Patient:innen, ob aktuelle Lebens- und Arbeitsbedingungen passen, sie begleiten auch Gespräche mit Angehörigen oder Arbeitgebern.

„Wir bieten hier nicht ausschließlich eine medizinische Betreuung, sondern berücksichtigen immer auch soziale Aspekte.“ 

Patientin vor Eingangtür des Reha Zentrums St. Leonhard

Bei dem einen Patienten kann das bedeuten, dass er eine Umschulung machen wird, bei der nächsten, dass sie sich von einem Partner trennt, bei noch anderen machen schon kleine erlernte Verhaltensänderungen den großen Unterschied. Was ihm an seinem neuen Job besonders gefällt? „Wenn ein Patient nach der Reha bei uns gestärkt in den beruflichen und privaten Alltag entlassen wird, wenn neuer Lebensmut gefasst wurde“, so Ucgun. Das sei ein besonders schönes Gefühl.

Über das Lukas-Werk

Das Lukas-Werk bietet in Südostniedersachsen ein flächendeckendes Netzwerk spezialisierter Gesundheitsdienstleistungen. In sechs Fachambulanzen, zwei Reha-Tageskliniken und einer stationären Reha-Fachklinik beraten, behandeln und betreuen wir im Bereich Suchthilfe. Mit der Reha-Tagesklinik Psychosomatik im Rehabilitationszentrum St. Leonhard in Braunschweig erweitern wir unser Leistungsspektrum um ein ganzheitliches, wohnortnahes Behandlungsangebot für Menschen mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen.

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